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Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst

Titel: Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Mass
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auf den Stuhl. Ich ziehe die Kassette näher zu mir heran, aber selbst ohne es auszuprobieren, kann ich sehen, dass die Schlüssel auf jeden Fall zu klein sind. Ich teste sie trotzdem, dann wickle ich sie wieder ein und schicke sie zurück. Eine Nachricht ist überflüssig.
     
    Mittags treffe ich Lizzy auf dem Gehsteig. Der Hula-Hoop-Reifen rotiert um ihre Taille, und sie trägt ihren alten Rock aus künstlichem Gras, der inzwischen viel kürzer ist als damals, als sie acht war. Während der letzten Woche ist sie richtig gut geworden. Ihre Requisiten liegen auf einem Handtuch neben ihr. Ich lese den Fußball auf und werfe ihn ihr zu. Diesmal fängt sie ihn sicher.

    »Die Menge tobt«, sagt sie und hält den Ball über ihren Kopf, während sie mit den Hüften kreist.
    Und wer kommt da mit einer Einkaufstüte an jeder Hand auf uns zu? Rick. Seit der Geschichte mit dem Unsichtbarmachen habe ich ihn nicht mehr gesehen. Lizzy sieht ihn nicht, weil sie in die falsche Richtung schaut, und ich will sie nicht ablenken. Sie wirft den Ball zu mir zurück und ich fange ihn auf. Vielleicht läuft Rick ja stumm vorbei und sie bemerkt ihn nicht mal. Nein, so viel Glück haben wir nicht.
    »Du lieber Himmel, was machst du denn da?«, fragt Rick und unterdrückt ein Lachen.
    »Wie sieht es denn wohl aus?«, fragt Lizzy zurück.
    »Es sieht aus, als würdest du mit einem Hula-Hoop-Reifen spielen. Und du trägst so was wie ein Grasröckchen.«
    »Na und?«, sagt Lizzy und reckt ihr Kinn vor. »In Hawaii ist Hula-Hoop ein Nationalsport.«
    »Als ich das letzte Mal nachgeschaut habe, waren wir hier in Amerika«, sagt Rick.
    »Hawaii ist in Amerika!«, stelle ich klar.
    »Du weißt, was ich meine«, sagt er, aber er kehrt Lizzy den Rücken zu und geht die Treppe hoch. Bevor er im Haus verschwindet, ruft er: »Viel Glück beim Traktorziehen!«
    »Zum letzten Mal«, brüllt Lizzy, »wir ziehen KEINEN Traktor mit den Zähnen durch die Gegend!« Ihr Hula-Hoop-Reifen fällt zu Boden und schaukelt dort noch ein paar Sekunden hin und her, bevor er zur Ruhe kommt.
    »Wenn wir den ersten Platz machen«, sagt sie, die Hände in die Hüften gestemmt, »dann lacht er nicht mehr.«
    »Und wir geben ihm keinen einzigen von unseren Snickers-Riegeln ab«, ergänze ich, hebe den Reifen auf und halte ihn
ihr hin. »So, jetzt lass noch mal sehen, wie du die Banane schälst.«

    Die nächsten beiden Tage üben wir den Auftritt praktisch nonstop, so lange, bis Lizzy behauptet, sie hätte inzwischen einen bleibenden roten Streifen um die Taille. Als James am Donnerstagmorgen anruft, um zu sagen, dass er uns abholen wird, beherrschen wir den Auftritt im Schlaf.
    »James!«, sagt Lizzy, während wir auf die kühle Rückbank rutschen. »Wir haben Sie vermisst!«
    »Der Wagen war nicht dasselbe ohne Sie beide«, antwortet er und fährt vom Straßenrand los.
    »Wie geht es Mr Oswald?«, frage ich.
    »Er spricht gerne davon, dass er ›alte Knochen‹ hat. Manchmal ist es anstrengend für ihn, viel unterwegs zu sein. Aber es geht ihm besser. Er freut sich darauf, Sie zu sehen.«
    Es gibt mir ein gutes Gefühl, das zu hören. Lizzy lächelt auch. Keiner von uns hat es ausgesprochen, aber ich zumindest habe Mr Oswald zuletzt als eine Art Großvater empfunden.
    »Und was bringen wir heute zurück?«, will Lizzy wissen.
    James zuckt die Schultern. »Ich erhalte meinen Auftrag zusammen mit Ihnen.« Mit diesen Worten lässt er die gläserne Trennscheibe hochfahren.
    Ich lehne mich zurück und genieße den Ausblick. Normalerweise machen mich die vielen Leute auf belebten Straßen wie der Fifth Avenue ziemlich nervös, aber heute störe ich mich nicht daran. Seit dem ganzen Gerede, dass alle miteinander
verbunden sind, entwickle ich meinen Mitmenschen gegenüber freundlichere Gefühle. Zufrieden mümmle ich ein Sandwich.
    »Jeremy?«, sagt Lizzy und lässt mich hochschrecken. »Ich hab was getan, wovon ich dir nie erzählt habe.«
    Ich lasse das Sandwich in meinen Schoß fallen. In meinem Kopf überschlagen sich die Gedanken, was Lizzy alles getan haben könnte. Hat sie irgendwie die Kassette geöffnet? Etwas wirklich Großes geklaut? Einen Jungen geküsst? Rick! Ich wette, sie hat Rick geküsst! Wann, nach der Séance? Oder nach der Bemerkung übers Traktorziehen?
    »Es hat mit Mabel Billingsly zu tun«, sagt sie. »Du weißt, die Frau mit dem Pu-der-Bär- Buch.«
    Ich stoße einen Seufzer der Erleichterung aus. »Was ist mit ihr?«
    »Weißt du noch, wie Mr Oswald

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