Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi
an ihr, ob sie darauf reagiert.“
Was ist da los? Eine Geschäftsfrau, die einfach ein paar Wochen lang verschwinden kann? Schon wieder eine Verschwundene? Oder führen die Geschäfte ganz andere? „Kann ich ihre Tochter, Carmen Stiller, sprechen?“ Wer weiß, eine halbe Minute, und sie ist am Telefon und ich sage ihr dann …
„Tut mir leid. Ich dachte, Sie seien mit ihr befreundet. Fräulein Stiller studiert. Im Ausland.“
Interessant. Hat sie etwa daheim schon erzählt, dass sie in Wien bleiben möchte? Darum geht es jetzt nicht, Mira. „Wenn sich irgendeine der beiden meldet, richten Sie bitte aus, sie soll mich anrufen. Es ist dringend.“ Ich gebe der Frau meine Mobilnummer.
„Wir müssen zum Weis.Zentrum“, sagt Vesna. „Da hilft jetzt nicht mehr viel Taktik. Wir müssen wissen, wann sie zum letzten Mal gewesen ist dort. Und mit wem.“
„Weis wird nicht mit uns reden …“, fürchte ich.
„Er wird“, sagt Vesna so bestimmt, dass ich ihr nicht widerspreche. Hoffentlich wird er. Ein Druckmittel haben wir. Seine Fotos. Vielleicht waren sie der Grund, warum Carmen verschwinden musste. Wer weiß, auf welche Alleingänge sie sich eingelassen hat, um uns zu imponieren.
Vesna fährt, als wäre der Teufel hinter ihr drein. Dabei ist der Teufel meist anderswo. Jedenfalls nicht hinten. In jeder Kurve schneidet der Gurt in meinen Brustkorb. Ich schnalle mich ab und versuche meinen Oberkörper trotz rasanter Fahrt so ruhig wie möglich zu halten.
Auf dem Parkplatz des Weis.Zentrums stehen heute mehr Autos als sonst, ich zähle neun. Darunter der Lieferwagen einer Cateringfirma. Das weiße Mercedes-Cabrio von Weis ist nicht dabei, aber vielleicht hat er mehr als ein Auto. Wird er sich leisten können. Wir gehen eilig den Weg hinauf zum Zentrum. Im Vorraum stehen Berger und eine Gruppe von Menschen.
„Die Idee war es, völlige Transparenz zu schaffen. Alles soll ans Licht dürfen, nichts geheim oder peinlich sein, offen für Sonne und Mond und das, was im Kosmos existiert.“
Die Leute hören ihm mit Andacht zu. Es scheint sich um so etwas wie eine Führung zu handeln.
„Und wann sehen wir den Guru?“, fragt eine zierliche Frau mit einem zu langen Seidenrock.
Berger versucht ein salbungsvolles weisartiges Lächeln. „Ihm geht es darum, dass Sie die besondere Stärke dieses Ortes erleben können. Ohne durch sein persönliches Kraftfeld abgelenkt zu sein.“ Dann, weniger weihevoll: „Er wird später kommen.“
Unruhe. Unmut. Man will den Guru, den man aus dem Fernsehen kennt, und nicht seinen Helfer.
„Zur Erfrischung freut sich Herr Weis …“
„Guru Weis“, sagt eine ältere Frau streng. Sie sieht aus wie meine ehemalige Handarbeitslehrerin. So eine Dürre, Blasse, sie hatte auch Sinn für Esoterik. Wenn sie nicht erkennen konnte, was aus dem Stricklappen in meiner Hand werden sollte, hat sie das Universum angerufen.
Berger lächelt bemüht. „Zur Erfrischung freut sich Guru Weis Ihnen einen ganz besonders wohltuenden Drink anbieten zu dürfen.“
Aufs Stichwort erscheinen zwei weiß gekleidete junge Frauen mit Tabletts mit Gläsern. Sie müssen irgendwo im Büro oder dahinter beim WC gewartet haben.
„Litschi, Lotosblüten, biologischer Kokossaft, dazu Weis-Molke aus bester einheimischer Milch, angereichert mit speziellen probiotischen Substanzen.“
Wusste gar nicht, dass Weis auch Molke verkauft. Passt irgendwie. Ich mag keine Molke, schmeckt für mich nach eingeschlafenen Füßen. Aber was viel wichtiger ist: Warum ist Weis nicht hier?
Die Guru-Fans nehmen die hohen Gläser mit der weißen Flüssigkeit und trinken ohne jedes Misstrauen. Jetzt oder nie. Ich eile auf Berger zu, Vesna dicht hinter mir. Berger scheint unangenehm berührt, uns zu sehen. Kann ich auch irgendwie verstehen. Wir passen nicht zu den Weis-Fans.
„Wo ist Weis?“, frage ich.
„Sie sollten nicht hier sein. Sie wissen doch, er will mit Ihnen nichts mehr zu tun haben“, antwortet der Psychologe.
„Und Sie tun alles, was Weis Ihnen anschafft?“
„Wir brauchen Ruhe hier im Zentrum, Frieden“, erklärt er.
So ein Weichei.
„Wann war Carmen Stiller zum letzten Mal da?“, will Vesna wissen.
Berger runzelt die Stirn. „Carmen Stiller … Sagt mir jetzt nichts … Ich …“
„Sie war mehr als einmal da“, falle ich ihm ins Wort. „Eine neue Jüngerin. Jung, blonde kurze Haare. Schweizerin. Sie haben sie gesehen. Sicher.“
„Ach die. Bei uns gehen so viele Menschen ein und aus … Ja, die
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