Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi
hast du ja, was man so hört, ohnehin einen Verehrer bei der Polizei.“
Ich lächle zuckersüß, vielleicht kann ich von Weis doch noch was lernen. „Du hast recht.“ Ich winke und lasse ihn in seinem Einzelzimmerchen sitzen. Wenn er nicht will …
Und dann rufe ich tatsächlich Verhofen an. Der allerdings ist verschlossener als bisher. So als ob sein Telefon doch abgehört werden könnte. Oder meines.
„Ich möchte nur wissen, ob Zerwolf tatsächlich Kontakt zu radikalen Moslems hatte. Und was er als Begründung dafür angegeben hat. Vielleicht hat er sie ja für eines seiner philosophischen Bücher gebraucht.“
„Da bin ich wohl der falsche Gesprächspartner. Ich war damals nicht einmal in Österreich. Sie sollten seine Bücher lesen. Oder mit jemandem sprechen, der sie gelesen hat.“
„Er ist auf eurer Verdächtigenliste, nicht wahr?“, frage ich.
Verhofen seufzt.
Vesna verspricht, dafür zu sorgen, dass jemand Zerwolf beobachtet. Tag und Nacht, vor allem aber in der Nacht. Sie selbst könne es nicht tun, er kenne sie. Das wäre ein Auftrag für Fran, aber der sei ja in Chicago. Ihre beiden bosnischen Kleiderschränke Slobo und Bruno seien für diesen Job leider ungeeignet, außerdem jage Bruno gemeinsam mit ihr gerade Buntmetalldieben hinterher.
„Macht so etwas nicht die Polizei?“, frage ich.
„Schon, aber nicht, wenn sie nichts von Diebstählen weiß und der Bestohlene glaubt, dass eigene Frau damit zu tun hat. Slobo passt übrigens beim Recyclinggelände auf. Habe mit Chef gesprochen, der ist total in Ordnung, er will, dass alles aufgeklärt wird, hat Slobo sogar angestellt als Arbeiter, so fallt dann nicht auf, dass er nachsieht.“
Ich sollte noch einmal mit Zerwolfs Assistentin reden. – Damit er gewarnt ist? Fange ich etwa an, Weis zu glauben?
„Was mir noch eingefallen ist“, sagt Vesna. „Weis muss eine Putzfrau haben, die muss man fragen.“
„Ich habe bei ihm nie eine Putzfrau gesehen, nicht einmal eine Sekretärin. Das meiste macht Berger. Und die Buchhaltung ist ausgelagert.“
„Aber putzen wird Berger nicht. Und es ist sauber. Schade, dass keine von meinen Putzfrauen gut im Beschatten ist. Haben alle Angst vor dem eigenen Schatten. Ha. Bessere Idee. Ich kann Freundin von Tochter Jana fragen, ob sie Zerwolf beobachtet. Vielleicht kann sie zur Tarnung auch philosophische Vorlesung besuchen. Du erinnerst dich an sie? Die mit den bunten Haaren?“
„Kra. Keine Ahnung, wie sie mit richtigem Namen heißt. Klar. Nicht gerade unauffällig. Sie hat fürs ‚Magazin‘ diesen Islam-Prediger begleitet und darüber aus der Sicht einer jungen Frau mit moslemischen Wurzeln geschrieben. Gute Idee. Studiert Publizistik, nicht wahr?“
„Ja, macht sie. Ich werde mit ihr reden. Ich glaube nicht, dass Job ist gefährlich.“
Hoffentlich hat sie recht.
Erst halb sieben. Ich bleibe bei einem Delikatessenladen stehen, kaufe ein paar feine Vorspeisen und ein knackiges Baguette. Der Hauptgang mit den Garnelen und dem getrüffelten Frischkäse wird sicher gut. Und wenn nicht, war die Idee zumindest einen Versuch wert.
Ich beschließe, etwas für meine Fitness zu tun, ignoriere den Lift und nehme die Treppen. Laufen ist ohnehin schlecht für die Sehnen, heißt es. Stiegensteigen. Das passt irgendwie auch besser zu mir. Zufrieden keuchend komme ich im Dachgeschoss an. Vor der Türe sitzt Carmen. Meine gute Laune ist dahin. Warum hockt sie da wie ein ausgesetztes Kind? Sie ist sechsundzwanzig. In diesem Alter war ich schon in New York, ohne Geld, ohne reiche Eltern im Hintergrund, nur ein paar halb seriöse Versprechen in der Tasche, dass ich Artikel und Reportagen nach Europa schicken könne. Sie sieht mich an und es ist absolut klar: Sie freut sich nicht, mich zu sehen. Sie hat auf Oskar gewartet.
„Komm rein“, sage ich ohne falsche Freundlichkeit. Sie geht wortlos hinter mir drein, lässt sich am Esstisch nieder. So als ob sie darauf wartete, dass ich ihr etwas koche. Für sie ist mein Garnelenexperiment nicht gedacht. Vielleicht gibt das den Ausschlag. Ich habe plötzlich das Gefühl, dass es Zeit ist, Klartext zu reden.
„Was willst du eigentlich von Oskar?“, frage ich sie.
Sie reißt die Augen auf.
„Geld?“, ergänze ich.
„Er ist mein Vater“, antwortet sie bockig. „Das geht nur ihn was an.“
„Und woher kann er wissen, dass du tatsächlich seine Tochter bist?“
Carmen springt auf. „Meine Mutter hat mir das gesagt. Meinst du etwa, dass mich meine Mutter
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