Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi
Thunfischbrot.“
„Wirklich?“, meint Vesna wenig erbaut.
„Mehr ist nicht da.“
„Sollen wir nicht doch Kebab …?“
Ich schüttle den Kopf und nehme die Packung Rindsfaschiertes zum Auftauen aus dem Gefrierfach. Ich wasche die Zitrone heiß und schäle sie ganz vorsichtig, damit nichts von der bitteren weißen Haut mitgeht. Die halbe Zuckermelone liegt wohl schon länger im Kühlschrank, auch die ordentliche Vesna hat so ihre Schwachpunkte. Zum Glück. Sonst wär sie mir wohl unheimlich. Ich schäle die Melone, entferne die matschigen Stellen und schneide sie in zentimetergroße Würfel.
„Der Yom-Verlag braucht das Buch von Weis ganz dringend“, sage ich, während Vesna eine Flasche Rotwein öffnet. Weißwein sei keiner da, hat sie gesagt. Das Nudelwasser kocht. Ich gebe viel Salz und dann die Spaghetti hinein. Wenn auf der Packung „8 Minuten Kochzeit“ steht, reichen so gut wie immer fünf oder sechs. Mir sind Nudeln al dente deutlich lieber, und bei einem lauwarmen Gericht erst recht. Ich sehe auf die Uhr, in fünf Minuten werde ich die Nudeln probieren. Olivenöl erhitzen. Chiliflocken dazu. Melonenwürfel kurz darin schwenken, salzen. In feine Streifen geschnittene Zitronenschale dazugeben und die Pfanne zur Seite stellen. Hätte Vesna Petersilie oder frischen Koriander, würde ich noch Kräuter daruntermischen.
„Habe ich Basilikum im Topf“, sagt Vesna, als ob sie Gedanken lesen könnte. Sehr gut. Das kommt ganz zuletzt drüber. Ich erzähle Vesna von meinem Abendessen mit Verhofen, sie scheint mehr an unserem Date interessiert zu sein als an dem, was er gesagt hat.
„Es besteht immerhin die Möglichkeit, dass nur der Schuh von Franziska Dasch recycelt worden ist“, mache ich ihr klar.
„Aber ist nicht sehr wahrscheinlich, oder? Immerhin sie ist jetzt schon tagelang verschwunden. Selbst wenn sie aus Rache abgehauen ist, inzwischen sie hätte sich schon gemeldet. Oder die Polizei hätte sie gefunden.“
„Und was, wenn sie entführt worden ist?“, frage ich.
„Dann es gäbe Lösegeldforderung.“
„Wie heißt es immer? Keine Polizei, oder Ihre Frau ist tot.“
„Dieser Dasch scheint kein Mann zu sein, der sich leicht beeindrucken lasst. Der macht Sache mit Polizei, ist auch viel klüger. Und dein Verhofen hätte sicher irgendeine Andeutung gemacht. Will dir ja gefallen.“
Ich glaube ja selbst nicht an die Entführungsvariante. Irgendwie passt der Zettel „Totales Recycling Franziska Dasch“ so gar nicht dazu.
Oskar ruft an. Diesmal habe ich ihm angekündigt, dass ich später kommen werde, weil ich bei Vesna bin. Er wollte sich ohnehin mit einem Kollegen treffen. Fängt er an, mich zu kontrollieren?
„Berthold Klein dürfte doch nichts mit Esoterik zu tun haben“, erzählt er. „Mit Schadenersatzfällen allerdings auch nicht viel. Er hat eine kleine Kanzlei, er macht alles Mögliche, aber am häufigsten bearbeitet er Baurechtsfälle.“
Hilft mir nicht gerade weiter. Trotzdem, es war nett von Oskar, sich darum zu kümmern. Schließlich hat er auch anderes zu tun. Ich sage es ihm. Fast hätte ich ihn eingeladen, später bei Vesna vorbeizuschauen. Gerade noch rechtzeitig fällt mir ein, dass Carmen kommen wird. Wenn sie denn kommt. Sehr zuverlässig scheint sie mir nicht zu sein. Obwohl er es nicht verlangt, verspreche ich Oskar, heute vor Mitternacht daheim zu sein.
Ich öffne die Thunfischdose und mixe dann Thunfisch, Öl, etwas Sardellenpaste, einige Kapern, etwas Tubenmayonnaise und ein wenig Apfelsaft. Besser als Wasser. Daheim hätte ich einen kleinen Becher Hühnerfond aufgetaut. Pfeffer und Salz dazu. Gar nicht übel. Schmeckt so ähnlich wie die Sauce beim Vitello tonnato, einem meiner Lieblingsgerichte. Sollen wir doch mit dem Essen auf Carmen warten? Wir entscheiden uns zwei zu null dagegen. Das Faschierte braucht allerdings noch etwas Zeit, bis es aufgetaut ist.
Ich seihe die Spaghetti ab, fünf Minuten Kochzeit waren tatsächlich genug, und gebe sie sofort in die Pfanne mit der Melonen-Zitronen-Sauce. Durchrühren. In tiefen Tellern anrichten, viel frisches Basilikum drüber. Vesna sieht schon nicht mehr so skeptisch drein. „Duftet gut“, sagt sie. „Du solltest Carmen was aufheben, ist kalt auch fein.“ Ich deute zurück zum Herd. Natürlich habe ich eine Portion zur Seite gegeben. Wie immer, wenn ich koche, ist ja genug da. Manchmal mehr als genug.
Während wir essen, erzähle ich Vesna von meinem Gespräch mit der Schuhgeschäftsbesitzerin. Wenn
Weitere Kostenlose Bücher