Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi
Kinoplakate an, betrachte Besen. Dass es hier noch einen Besenmacher gibt … Ich spähe durch die Scheibe eines Kaffeehauses. Meine Magenschmerzen sind vorbei, jetzt signalisiert mein Magen: Hunger. Hoffentlich hat Vesna an Abendessen gedacht. Wenn die Kinder nicht da sind, vergisst sie gerne aufs Einkaufen. Sie isst einfach irgendwas, was da ist. Vielleicht sollte ich einkaufen gehen. Da. Die Sekretärin kommt aus dem Haus. Herzklopfen. Aber sie macht gar keine Anstalten, zu mir herüberzusehen. Sie geht äußerst zielstrebig Richtung 1. Bezirk. Liegt ihre Wohnung dort? Wie kann ich sie unverdächtig anhalten? Trifft sie sich mit jemandem? Wie kann ich sie ansprechen, ohne dass sie misstrauisch wird? Wir gehen über die Brücke, ich in sicherer Entfernung hinter ihr, zwischen uns eine Menge Menschen, neben uns eine Menge Autos. Es ist die Uhrzeit, wo beinahe jeder irgendwohin will. Sie geht den Ring entlang, biegt dann in eine schmale Seitengasse. Vor einer der neuen Bars bleibt sie stehen. „Happy Hour zwischen 17 und 19 Uhr“, steht auf einem orangen Schild mit Blumenranken. Sieht ganz schick aus, die Bar. Wenn ich Glück habe, ist der, mit dem sie sich trifft, noch nicht da.
Und tatsächlich: Manchmal hat man Glück. Sie grüßt den Barkeeper und nimmt auf einem der Hocker an der langen Theke Platz. Die Theke besteht aus einem durchscheinenden milchigen Stein, der von unten beleuchtet wird. Chillout-Musik. Sie redet mit dem Barkeeper, wahrscheinlich bestellt sie etwas, dann dreht sie sich um. Ich bin versucht, mich zu ducken. Das wäre allerdings wohl das Verdächtigste, was ich tun könnte. Das Lokal ist halb voll. Viele, eher jüngere Leute, die nach der Arbeit auf einen Drink vorbeikommen. Allein und in Gruppen. Wahrscheinlich auch kein schlechtes Lokal, um jemanden kennenzulernen. Ich sehe rasch in die andere Richtung, und schon hat sich die Sekretärin wieder zur Bar gedreht. Scheint mich nicht wahrgenommen zu haben. Angriff, bevor doch noch jemand kommt, mit dem sie verabredet ist. Ich schlendere wie zufällig zur Bar, tue so, als würde ich die Sekretärin gar nicht bemerken, stelle mich zwei Meter neben sie und bestelle Campari Soda. Etwas Besseres fällt mir auf die Schnelle nicht ein. Und schon wieder Glück. Sie ist es, die mich anspricht. „Hallo, was machen Sie denn hier?“
So als ob ich schon zu alt wäre, mich in Chillout-Bars rumzutreiben. Ich drehe mich zu ihr hin und gebe mich überrascht. „Hallo! Passen Sie bloß auf, dass Ihre Chefin Sie nicht mit mir sieht“, grinse ich.
Sie macht eine wegwerfende Handbewegung. „Nach Dienstschluss kann ich reden, mit wem ich will. Sie war ganz schön wütend, nicht wahr?“
„Sie will eben nicht, dass ihr Verhältnis mit Weis bekannt wird“, gebe ich mich verständnisvoll.
Die Sekretärin lacht. „Also da hat sie wirklich nichts dagegen. Sie ist richtig stolz darauf. Sie ist derartig vernarrt in den Glatzkopf, dass einem das Wundern kommt. Er ist natürlich sehr bekannt. Allein seine Fernsehshow …“
„Weis ist wütend auf mich, weil ich ein paar nicht besonders freundliche Dinge über ihn geschrieben habe. Kann ich ihm auch gar nicht verdenken. Ich hoffe nur, ich bekomme mein Geld.“
Die Sekretärin nickt. „Also das glaube ich schon. Der hat doch Geld genug. Und das Buch wird auch eine Menge einspielen. Nachdem Weis jetzt endlich unterschrieben hat …“
„Jetzt?“, frage ich überrascht. „Das Buch ist doch beinahe fertig.“
„Das war ein Versehen. Es war ja fix, dass er das Buch bei uns macht. Und manchmal wird das mit den Verträgen einfach verschlampt. Man verlässt sich aufeinander. Ist nicht nur in diesem Verlag so. Und im speziellen Fall zwischen Moylen und Weis wohl sowieso kein Problem.“
„Und was wäre gewesen, wenn er doch nicht unterschrieben hätte?“, frage ich so harmlos wie möglich.
„Na Mahlzeit. Wahrscheinlich ein Rechtsstreit, wir haben ja schon eine Menge für das Buch getan. Nicht wirklich gut. Könnten wir nicht brauchen in unserer Situation.“
„Ich dachte mir, diese Lebenshilfebücher boomen“, sage ich.
„Schon, aber es gibt jede Menge Verlage, die so etwas machen. Auch die großen Verlage nehmen das jetzt ins Programm. Und dann wird es hart für die kleinen. Aber was soll’s, es wird schon wieder besser gehen. Und solange es nicht so ist, mache ich eben auch den Vertrieb mit. Stressig, aber vielleicht kann ich so irgendwann als Sekretärin aufhören und als Vertriebsexpertin in einem
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