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Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi

Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
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eine Kreuzung aus Vitello tonnato und Shish Kebab“, murmle ich. „Hab ich gerade erfunden.“ Wie alle Köchinnen bin ich ziemlich anfällig für Lob.
    „Woher wisst ihr das mit dem Ausflug?“, beginnt Carmen überrascht. Sie ist heute offenbar weniger angetan von meinem Essen.
    „Wir haben euch wegfahren sehen“, erzähle ich. „Ich wollte mit Berger alleine sprechen. Er hat übrigens nicht nur Freundliches über Weis erzählt und unter anderem auch, dass er mit neuen Jüngerinnen gern Exerzitien am Waldrand macht. Du hast nicht …?“
    Carmen lächelt harmlos. „Ich sollte ja so tun, als wäre ich eine echte Jüngerin, oder? Also bin ich brav mitgefahren. Ich hab mir übrigens gemerkt, wo die Waldlichtung ist, für alle Fälle, man sollte dort vielleicht Spuren nehmen.“
    „Du meinst, Franziska Dasch könnte nach ihrem Besuch auf der Lichtung verschwunden sein?“
    „Ist nicht auszuschließen, oder?“, sagt Carmen.
    „Und da hast du dich gar nicht gefürchtet?“, frage ich.
    „Nein, klar nicht. Er hat mich ja nur für eine harmlose Jüngerin gehalten. Er hatte ja keine Ahnung, wer ich bin.“
    „Ist besser, man ist schon ein wenig vorsichtig“, sagt ausgerechnet Vesna. „Und dann?“
    „Also … wir haben gemeinsam geatmet. Und er hat gesagt, ich soll mich frei machen von allen Sorgen und Ärgernissen und Ängsten, und symbolisch für das, von dem ich mich frei mache, soll ich jeweils ein Kleidungsstück ablegen.“
    Liebe Güte, wo hab ich Oskars Tochter da reingebracht?
    „Und: Hast du?“, fragt Vesna interessiert und offenbar ohne jedes schlechte Gewissen.
    „Natürlich. Ich hab mitgespielt. Das Schwierigste war, mir spontan auszudenken, wovon ich befreit werden wollte, sodass er mir die Jüngerin glaubt. Aber es hat funktioniert. Ich hab mir spontan eine Menge Unsinn einfallen lassen: Schuldgefühle gegenüber der Mutter, Angst in Aufzügen, Hass auf meinen Friseur und so.“
    „Und was hat er gesagt?“, frage ich.
    „Eigentlich gar nicht viel, er hat eine Menge von Reinheit und Weisheit und Loslassen fantasiert, ich habe mir nicht alles gemerkt, ich dachte mir, das ist nicht so wichtig für unsere Nachforschungen. Er hat es recht geschickt gemacht. Und das Wetter hat natürlich auch mitgespielt. Bei Schlechtwetter muss er sich etwas anderes ausdenken.“
    „Sag nicht, du hast mit ihm …“, beginne ich.
    „Aber ja hab ich mit ihm Sex gehabt.“ Carmen verputzt mit Appetit die letzten Bissen Thunfischbrot. Sie kichert. „Nicht dass ich so was andauernd mache, das dürft ihr nicht denken, aber es war irgendwie eine Ausnahmesituation, ich hab mich wie Mata Hari gefühlt, und außerdem wollte ich schon lange wissen, wie ein älterer Mann beim Sex ist.“
    Mir fällt nichts ein, was ich sagen könnte. Dabei bin ich doch sonst nicht prüde. Habe mich jedenfalls nie dafür gehalten. Ich denke immer nur: Oskars Tochter, Oskars Tochter.
    „Und: Wie war er?“, fragt Vesna tatsächlich.
    Carmen seufzt. „Ehrlich gesagt: keine Offenbarung. Ich hab mich seither so oft wie möglich im Weis.Zentrum herumgetrieben und auf verliebte Jüngerin gemacht. Ich habe mich schon gefragt, ob Weis mir das abnimmt, aber gar kein Problem.“
    „Und du hast auch Verdächtiges gesehen?“, will Vesna wissen.
    Carmen stapelt die Teller übereinander und trägt sie brav zur Abwasch. Was man nicht alles so lernt in einem Nobelinternat. „Eigentlich nicht. Eher viel Eigenartiges. Dieser Berger, der da die ganze Zeit herumschleicht und seine Nase in alle Angelegenheiten steckt. Irgendwie missgünstig. Zuerst hab ich mir gedacht, das ist der Hausmeister oder bestenfalls der Sekretär, aber er ist immerhin Psychologe. Es steht auch in der Broschüre, dass man bei ihm Therapiesitzungen buchen kann, aber ich habe nicht gesehen, dass irgendwer bei ihm gewesen wäre. Da hab ich mir gedacht, vielleicht bringe ich ihn zum Reden, also hab ich eine Stunde mit ihm vereinbart und gemeint, er solle Weis nichts davon sagen. Ich sei mir, was dessen Methoden angehe, nicht ganz sicher. Er hat ziemlich begeistert gewirkt.“
    „Ida Moylen, die Verlegerin: schlank, dunkle Haare, in etwa so alt wie ich. Hast du die gesehen?“, frage ich.
    Carmen schüttelt den Kopf. „Glaube ich nicht. Aber eine Journalistin vom ‚Blatt‘ war da, die hat ihn noch mehr angehimmelt als seine Jüngerinnen. Ganz begreife ich es nicht, was sie alle an ihm finden.“
    Vesna grinst. „Sie suchen. Sie wollen finden.“
    „Wird schon so sein.

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