Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi
…“
„… sonst hätten Sie auch die zu überzeugen versucht, Zerwolf anzuzeigen.“
Klein sieht mich verzweifelt an. „Sie machen nicht öffentlich, dass wir … der Sache nachgeholfen haben?“
„Ich kann es nicht versprechen. Vorläufig nicht. Vorerst reicht, wenn öffentlich wird, dass sich die Frauen geirrt haben.“
Ich werde Zerwolf davon erzählen. Ich bin mir allerdings nicht sicher, wie wichtig ihm die ganze Sache überhaupt ist. Ich wäre stolz, wenn er mir dankbar wäre. Muss ich zugeben. Aber wer kann ihn schon einschätzen? Sagen, wer er wirklich ist? Vielleicht würde er über meine Naivität lachen.
Mein Mobiltelefon läutet. „Entschuldigung“, sage ich und will es ausschalten. Vesna. Sie sollte Dasch beobachten. Ich gehe dran.
„Dasch hat Tiefgarage verlassen. Journalisten sind länger schon weg. Er fährt in die Richtung von Weis.Zentrum. Wohnen tut er in eine andere Richtung, keine Ahnung, aber ich dachte mir, ist gut, wenn ich sage. Vielleicht du kannst kommen.“
Ich verabschiede mich vom Anwalt. Die Story würde jene des Chronikchefs spielend übertrumpfen. Weis’ geheime Fotosammlung. Erpressung. Und Zerwolf, der ausgeschaltet werden sollte. Irgendwie tut mir der Anwalt trotzdem leid. Jeder von uns hat seine Schwachpunkte, ist irgendwann am Boden und hofft auf irgendjemanden, der ihm sagt, wo es langgeht. Und wenn der dann das in ihn gesetzte Vertrauen missbraucht …
„Dasch fahrt durch Straße bei Weingarten“, sagt Vesna am Telefon, als ich durch den Wiener Abendverkehr staue. „Dort in der Gegend, wo wir Weis.Zentrum beobachtet haben.“
„Vielleicht will er zum Heurigen“, meine ich.
„Kann man nicht ausschließen, natürlich. Pass auf, jetzt ist er stehen geblieben. Da gibt es ein kleines Kreuz. Pass auf, er steigt aus. Hier ist Name der Straße: Aurelienweg. Melde mich wieder.“
Ich gebe den Straßennamen ein und hoffe, mein Navi kennt auch Weingartenwege. Beinahe wäre ich in den grünen Opel vor mir hineingekracht. Aber Nachdenken und Naviprogrammieren und Autofahren ist etwas viel auf einmal. Glück gehabt. Mein Navi hat inzwischen die Route berechnet und rät mir, nach fünfzig Metern rechts abzubiegen. Kommt mir eigenartig vor, aber ich biege ab, was soll ich auch sonst tun? Das Ding hat vielleicht einen Programmierungsfehler, aber es will mich wenigstens nicht betrügen, nicht bewusst mein Vertrauen missbrauchen. Ist ja schon was.
„Zielstraße erreicht“, sagt mein Navi zwanzig Minuten später. Ich werde langsamer. Ich bin tatsächlich dort angekommen, wo ich hin wollte. Vielleicht sollte man sich auf Maschinen doch mehr verlassen als auf Menschen? Nein. Sicher nicht. Wo ist Vesna? Ich habe nichts mehr von ihr gehört. Hundert Meter entfernt ist ein kleiner Wald, eigentlich eher ein Windschutzgürtel. Vielleicht hat sie dort ihr Auto versteckt. Am Weinstock da vorne blinkt etwas im letzten Sonnenlicht. Ich bleibe stehen, steige aus. Vesnas Armbanduhr. Okay. Ich verstehe. Hoffentlich. Vesna wollte mir ein Zeichen geben. Und was, wenn man sie entführt hat? Gekidnappt wie Franziska Dasch? Dann wäre es Vesna wohl kaum noch gelungen, die Armbanduhr für mich anzubringen. Und wenn sie Vesna gezwungen haben, die Uhr als Köder für mich hinzuhängen? Unwahrscheinlich. Außerdem: Ich könnte nicht davonrennen. Ich muss Vesna in jedem Fall finden.
Ich schleiche vorsichtig zwischen den Rebstöcken den Hügel hinauf. Die Blätter sind noch jung, es gibt keine dichte Laubwand wie im Sommer, die mich verdecken würde. Von hier aus kann ich nicht wie vor einigen Tagen aufs Weis.Zentrum sehen, unser Beobachtungsposten war etwas weiter nördlich, überlege ich. Aber eigentlich sehen für mich alle Weinstöcke im Abendlicht gleich aus. Ich höre etwas. Noch zwei vorsichtige, lautlose Schritte. Ich halte inne. Lausche. Ja. Jetzt bin ich mir sicher. Stimmen. Ganz oben auf dem Hügel.
„Sie haben sie missbraucht! Sie haben ihre ganze verdammte Dummheit ausgenutzt! Das Einzige, was Sie wollten, war ihr Geld.“
Jemand lacht. Böse. „Ausgerechnet Sie? Glauben Sie, dass ich nicht weiß, wie Sie mit Franziska umgegangen sind? Sie hat es sich nicht mehr gefallen lassen. Deswegen musste sie sterben.“
„„Deswegen musste sie sterben‘? Was ist das jetzt? Ihr Geständnis? Ich schreibe mit!“
Dasch. Ich kann ihn durch die jungen Weinblätter sehen. Weis. Ihn sehe ich nicht, aber ich erkenne seine Stimme.
„Wahrscheinlich haben Sie ihr neues Selbstbewusstsein
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