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Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi

Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
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kommunizieren. Wenn ich es möchte. Und wenn er es möchte.“
    „Der redet doch sowieso nicht“, sagt sein Kollege. Er ist sicher dreißig Jahre jünger. Seine Eltern könnten aus einem südlicheren Land stammen. Aber das macht ihn auch nicht automatisch zu einem sympathischen Zeitgenossen.
    Und trotzdem, er hat leider nicht unrecht. Ich läute dennoch. Diesmal zieht keiner meine Hand weg. Aber es antwortet auch keiner. Und niemand macht die Eingangstür auf.
    „Ist seine Assistentin bei ihm?“, frage ich.
    Die beiden schauen mich bloß an. Schweigen.
    „Was ist? Imitieren Sie jetzt Zerwolf?“, fauche ich sie an.
    „Keine Beamtenbeleidigung bitte“, sagt der Wasserblaue.
    Die Zerwolf-Unterstützer werden rasch mehr. Neue Transparente:
    „Wer schweigt, hat recht.“
    „Der Kapitalismus ist tot!“
    „Sprich zu uns!“
    Selbst seine Anhänger scheinen sich also nicht wirklich einig zu sein. Ich bleibe noch eine Zeit lang stehen und starre gemeinsam mit meinen Journalistenkollegen nach oben. Aber vielleicht ist ja gar keiner zu Hause.
    Ich trabe Richtung Redaktion. Ich sollte ganz schnell herausfinden, wohin sie Zerwolf gebracht haben. Ich glaube nicht, dass er sich daheim verschanzt hat. Nur keine Dramatisierung, ein Guantánamo gibt es in Österreich denn doch nicht. Na ja. Die Methoden des „Blatt“ reichen. Wer keine so gefestigte Persönlichkeit wie Zerwolf ist, könnte an so einer Kampagne zerbrechen. Ist Zerwolf eine gefestigte Persönlichkeit? Woher will ich das wissen? Bloß weil einer Philosoph ist und üblicherweise nicht spricht … Telefon. Ich schaue aufs Display. Ich kenne die Nummer nicht. Für einen Moment glaube ich, er ist es. Oder zumindest seine Assistentin. Es ist Verhofen. Er will mich sehen. Dringend. Ob ich mich an das Lokal am Donaukanal erinnere? Na und ob. Gut, dann solle ich bei der dritten Bank die Promenade flussaufwärts warten. Und: Sollte ich das Gefühl haben, beobachtet zu werden, dann sei es besser, ich gehe weiter. Dann melde er sich später wieder.
    Das klingt wie aus einem Spionagefilm. Mein Herz klopft. Verhofen weiß etwas und wird es mir sagen. Warum eigentlich? Weil er mich mag? Okay, schön. Aber dass er deswegen Geheimnisse ausplaudert? Ich werde es bald wissen. Ich gehe schnell und kann gar nicht anders: Ab und zu drehe ich mich um.
    Zwei Joggerinnen. Das Wasser des Donaukanals fließt ruhig dahin. Hellgrüne Bäume. Überhängende Zweige. Sie spiegeln sich im Wasser, spielen mit dem Wasser. Ein paar Enten, die mich erwartungsvoll anstarren. Sie sind es wohl gewohnt, dass vieles, was auf zwei Beinen am Ufer steht, sie füttert. Frühling. Mai. Es ist warm, noch hat das Wetter nicht umgeschlagen. Erste Bank. Zweite Bank. Niemand beobachtet mich. Ist auch keiner da. Oder hat sich jemand versteckt? Ein älterer Mann mit einem Dackel. Beide vordergründig harmlos. Dritte Bank. Ich setze mich. Kein Verhofen. Habe ich mich womöglich in der Stimme getäuscht? Hat mich jemand hergelockt, der genau wusste, dass ich kommen würde, wenn Verhofen es möchte? Unsinn. Es war seine Stimme. Und da kommt er. Eilige Schritte. Er setzt sich neben mich, gibt mir die Hand, sieht besorgt aus. Kein Vergleich zur romantischen Stimmung von vor einigen Tagen.
    „Ich bin bloß gekommen, um Sie zu warnen“, sagt er dann.
    Weis? Hat er herausgefunden, wie viel ich schon weiß? Weiß ich mehr, als ich weiß? Ist der Anwalt noch immer sein Jünger und hat ihm gebeichtet? Hat man Franziska Dasch gefunden? Fein vermahlen mit dem, was zum Untergrund einer neuen Autobahn werden soll? Drei Stunden habe ich noch bis zum offiziellen Redaktionsschluss.
    „Kümmern Sie sich bitte nicht um Zerwolf. Sie bekommen Schwierigkeiten. Sie sehen ja, wozu das ‚Blatt‘ imstande ist.“
    Ich sehe den Polizeibeamten erstaunt an. „Da waren viele Journalisten vor seinem Haus. Auch Kamerateams.“
    „Es geht das Gerücht, dass Sie einander besser kennen. Angeblich gibt es eine Verbindungsperson zur ehemaligen linken Studentenszene.“
    Ich schüttle den Kopf. „Ich habe nicht Philosophie studiert. Ich war nicht einmal besonders links. Zumindest war ich nirgendwo Mitglied. Die haben mir immer alle zu viel und zu lange und zu theoretisch diskutiert. Nur die Musik auf ihren Festen war super.“
    Verhofen schüttelt ungeduldig den Kopf. „Sie wollen nicht verstehen. Es handelt sich um einen ehemaligen Studienkollegen und Freund von Zerwolf. Valentin Freytag. Eine E-Mail von ihm an Zerwolf ist aufgetaucht.

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