Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi
In der Mail ist von Ihrem Treffen mit Zerwolf die Rede. Die beiden Männer sollen in ständigem Kontakt gestanden sein. Und es ist bekannt, dass Sie mit Freytags Lebensgefährtin eng befreundet sind.“
Ich lache. Das glaube ich einfach nicht. „Valentin Freytag erfindet und produziert Fernsehshows. Das Unangepassteste an ihm ist die Beziehung mit meiner Freundin. Einer bosnisch stämmigen Putzfrau, die inzwischen allerdings ein erfolgreiches Reinigungsunternehmen hat. Als Student war er linksradikal?“ Keine Ahnung, ob Vesna davon weiß, aber ich glaube, es würde ihr gefallen. Wann soll man denn radikal sein, wenn nicht in der Jugend? Bomben wird er schon keine geworfen haben. Stand in Österreich nicht wirklich auf dem Programm.
Verhofen lacht nicht. „Sie sollten das ernst nehmen. Man behauptet bereits, dass Sie selbst sehr gute Kontakte zur Terrorszene haben. Freytag könnte als internationaler Mittelsmann fungieren.“
„Meine besten Kontakte zur Terrorszene bestehen in einem internationalen Terrorseminar, das ich vor einigen Jahren besucht habe. Veranstaltet von den USA und ihren europäischen Freunden.“
„Sie hatten also schon immer Interesse am Thema“, murmelt Verhofen.
Ich lächle und tätschle ihm die Hand. Heute prickelt bei der Berührung rein gar nichts. „Selbst wenn irgendjemand so einen Unsinn behauptet, mir kann nichts passieren. Das hat einfach nichts mit meinem Leben zu tun. Wer immer Lust hat, Valentin Freytag zu überprüfen, soll das nur tun. Er ist …“ Ja, warum sollte er nicht in Amsterdam sein?
„… in Amsterdam“, ergänzt Verhofen. „Und nur damit Sie klar sehen: Ich dürfte Ihnen das alles nicht sagen, ich bin überzeugt, dass Sie mit der Szene nichts zu tun haben, sonst würde ich Ihnen das nicht sagen. Ich weiß, wie schnell das ‚Blatt‘ einen Rufmord inszeniert.“
„Es gibt keinen Anhaltspunkt. Wenn es hart auf hart geht, würde ich sie klagen.“
Verhofen schüttelt den Kopf. „Wir wissen, dass Sie vor Kurzem mehrere Stunden in der Nacht bei Zerwolf verbracht haben. Das war unvorsichtig.“
Wie bitte? Da war doch keiner. Wer sollte …
„Er wurde natürlich überwacht. Es ist durchgesickert. Es wissen inzwischen nicht nur die Polizei und die Sondereinheit Bombenalarm davon.“
„Ich … habe recherchiert“, antworte ich lahm.
„Sie haben Ihr nächtliches Treffen mit keinem Wort im ‚Magazin‘ erwähnt.“
„Er … hat nicht gesprochen. Sie wissen doch, dass er nicht spricht.“ Es gibt Richtmikros, Mira, Abhöranlagen. Er könnte wissen, dass ich lüge.
„Kann schon sein. Aber ob das wichtig wäre, wenn das ‚Blatt‘ erst einmal anfängt, sich auf Sie und Freytag einzuschießen?“
Beim „Blatt“ bin ich nicht eben beliebt. Ich habe ihm in den letzten Jahren einige der besten Kriminalstorys weggeschnappt. Und es war mir immer eine Freude, es auszubremsen. Ich mag seinen Stil nicht. Aber ob das reicht?
Verhofen steht auf. „Ich denke, Sie haben mich verstanden. Ich kann nur hoffen, dass uns keiner zusammen gesehen hat. Das könnte für mich …“
„Danke“, sage ich und stehe auch auf. „Geht das wirklich so einfach? Ein paar Gerüchte, ein paar falsch verknüpfte Tatsachen …“
„Das sollten Sie wohl wissen“, sagt Verhofen.
„Zerwolf: Hatte er in jüngerer Zeit tatsächlich Kontakt zur internationalen Terrorszene?“
Verhofen sieht mich an. „Was, wenn er quasi seine eigene Terrorzelle organisiert hat?“
„Das glauben Sie nicht im Ernst“, sage ich schockiert.
„Man kann es jedenfalls behaupten. Und: Er ist sehr schwer fassbar“, meint der Polizeibeamte.
„Das ist ja noch kein Verbrechen, oder?“
Verhofen schüttelt den Kopf, sieht sich vorsichtig um, will schon gehen und nimmt mich dann am Arm. „Machen wir einen Deal: Sie halten sich von Zerwolf fern. Er könnte wirklich gefährlich sein. Dafür erzähle ich Ihnen etwas.“
„Er ist Opfer, nicht Täter, ich …“ Soll ich Verhofen von Weis und der Erpressung erzählen?
„Also ja oder nein?“
Ich habe ohnehin nicht vor, über Zerwolf zu schreiben. Und das Thema Terrorismus liegt diese Woche sowieso in den bewährten Händen unseres Chronikchefs. „Ja“, sage ich und komme mir falsch vor.
„Es gibt neue Spuren im Fall Franziska Dasch. Man hat im Asphalt auch Stücke ihrer Handtasche gefunden. Experten versuchen weiter, organisches Material zu separieren, aber das ist fast nicht möglich. Blut wird von den großen Asphaltbrocken richtiggehend
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