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Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Titel: Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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hatte, durch eine Phalanx von Topfplanzen in den Hintergrund gedrängt und die Rednertribüne am anderen Ende des Saales aufgebaut worden. Rechts von der Tribüne nahmen die Musiker vom Reichssender Köln ihre Plätze ein. Zwischen den vielen deutschen Uniformierten fielen die elf niederländischen Generalsekretäre in Zivil auf.
    Mit seinen Generalkommissaren betrat Arthur Seyß-Inquart den Saal, in der Uniform eines SS -Führers; diesen Rang hatte ihm Heinrich Himmler ehrenhalber verliehen. Kinder einer deutschen Schule begrüßten ihn mit einem Blumenstrauß. Das Orchester spielte Wagner, die Ouvertüre zu »Rienzi«. Dann ging der Reichskommissar zum Rednerpult. In den Abendzeitungen konnten die Niederländer seine Rede nachlesen, und das Gefühl der Erleichterung erhielt neue Nahrung.
    »Die niederländischen Soldaten haben sich im Kampf gut geschlagen«, sagte der deutsche Reichskommissar, »die niederländische Zivilbevölkerung hat sich den kämpfenden Truppen gegenüber ordentlich benommen. Es liegt nichts vor, was uns hindern könnte, einander mit Achtung zu begegnen.« War das nicht eine ritterliche Verbeugung vor dem Feind von gestern? Das Land war überfallen und besiegt worden, aber glaubte man Seyß-Inquart, dann gab es trotzdem mit den Besatzern eine gute Zukunft: »Wir kommen nicht hierher, um ein Volkstum zu bedrängen und zu zerstören und um einem Lande die Freiheit zu nehmen.« Man komme auch nicht, um den Niederländern »unsere politische Überzeugung aufzudrängen«. Dafür stellte er ihnen eine Vision vor Augen: »Der europäische Raum sammelt sich zu einer neuen Ordnung, in der jene geistigen Schranken niedergebrochen werden sollten, die aus Klassen- und kapitalistischen Interessen errichtet wurden.« Die Niederlande sollten für dieses »starke Europa« das »wirtschaftliche Ausgangstor an der Rheinmündung« sein.
    Mit seinem Auftreten widersprach Arthur Seyß-Inquart dem Bild des barbarischen Nationalsozialisten. Er war ein gebildeter Zeitgenosse, der Musik und Malerei liebte und passabel Klavier spielte. Der neue Reichskommissar hatte Manieren, trat zurückhaltend in der Öffentlichkeit auf. Gewiss, es gab in seiner Antrittsrede auch andere Töne: vom »germanischen Blut« und »blutgebundenen Werten«, die Niederländer und Deutsche verbanden. Deshalb freue er sich über die niederländischen Kinder. Und fügte hinzu: »Wir fühlen uns heute immer und unter allen Umständen verantwortlich für das gute Blut; denn Blut verpflichtet auch über äußere Tatsachen und mangelnde Erkenntnis hinaus.« Reichlich verquast musste das für einen nüchternen Niederländer klingen. Doch wem geht es nicht so, dass er beim Hören aufnimmt, was seinen Wünschen und Hoffnungen entgegenkommt und ausblendet, was er nicht wahrhaben möchte?
    Wenige Tage nach dem Staatsakt im Rittersaal reiste Heinrich Himmler in die Niederlande und sprach in Den Haag mit Seyß-Inquart. Der Chef von SS und deutscher Polizei, Herr aller Konzentrationslager, gratulierte dem Reichskommissar zu seiner »Politik der weichen Hand«. Es war ein ehrliches Lob, weil Himmler wusste, zu welcher »harten Hand« der neue Herr der Niederlande auch fähig war. Nur sechs Wochen zuvor, in Polen, hatte Seyß-Inquart als Stellvertreter des deutschen Gouverneurs 189 Polen durch die SS umbringen lassen, als Rache für den Mord an zwei Volksdeutschen. Doch das ahnte keiner der Menschen in Holland, für die er nun die höchste Autorität war. Auch nicht die politische Elite, die Generalsekretäre, die dem Reichskommissar am Mittag zwar ein festliches Essen verweigerten, aber am Nachmittag des 29. Mai mit ihm zusammentrafen.
    Nach einer kurzen Ansprache, so erinnerte sich Jahre später der Generalsekretär für das Innenministerium, fragte Seyß-Inquart, »ob sie bereit wären, unter seiner Ausübung der Staatsgewalt ihre Aufgaben weiterhin zu erfüllen«. Statt zurückzutreten, erklärten alle Vertreter der Ministerien, auf ihrem Posten zu bleiben. Zwei Tage später schrieb der Reichskommissar an den Leiter der Reichskanzlei in Berlin: »Die Übernahme der obersten Regierungsgewalt vollzog sich so, dass die Kontinuität nicht gestört wurde. Die General-Sekretäre, das sind eine Art Staatssekretäre als oberste Verwaltungsspitze … sind im Amt geblieben, so dass hier die Möglichkeit gegeben ist, den vorhandenen Apparat nach und nach in die Hand zu bekommen.« Im Sinn der Sieger und Besatzer war der erste Schritt erfolgreich vollzogen.
    Arthur

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