Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Titel: Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
Vom Netzwerk:
Flüchtlinge in Amsterdam aufrufen – zum »Arbeitseinsatz«, wie die offizielle Sprachregelung hieß. Die niederländischen Juden blieben fürs Erste unbehelligt. Das vergrößerte die Aussichten, die Aktion ohne Unruhen und Widerstand hinter sich zu bringen. Mit der Zeit würden sich Gewohnheit und Resignation schon einstellen.
    Der größte Teil der Organisation lief über die Zentrale für jüdische Auswanderung in Amsterdam. Jetzt konnten die Deutschen auf die differenzierten Statistiken über die jüdischen Bewohner der Hauptstadt zurückgreifen, die die Stadtverwaltung im Januar 1941 für sie hatte aufstellen müssen. Umgehend forderte die ZjA vom Bürgermeister eine Liste der jüdischen Emigranten Amsterdams, nach Straßen geordnet. Und mit der Einführung des »Judensterns« gab es nun die Möglichkeit, die Juden auch sonst überall in der Stadt problemlos aufgreifen zu können.
    Es war am 21. Mai, als die Besatzer wieder eine Verordnung in Bezug auf die Bank Lippmann, Rosenthal & Co. verkündeten. Mit der ersten war den niederländischen Juden im August 1941 befohlen worden, ihr gesamtes Geldvermögen nebst dem einzigen Konto bei einer eigens dafür eingerichteten Zweigstelle dieser angesehenen jüdischen Bank anzulegen. Doch die Zweigstelle in der Sarphatistraat war eine Scheinbank, die von den Deutschen kontrolliert und geplündert wurde. Das jüdische Geld floss geradewegs in die Kassen des Reichkommissariats. Nachdem der Zeitpunkt der Deportationen feststand, ging es darum, sich schnellstens der immobilen jüdischen Schätze zu versichern.
    Die Besatzer hatten keine Hemmungen, die rechtlosen Menschen mit dem gelben Stern keine Wahl: Mit der Verordnung VO 58/42 vom Mai 1942 mussten die niederländischen Juden von ihrem tragbaren Besitz in der Zweigstelle der Lippmann-Rosenthal-Bank alles abliefern, was nur irgendeinen Wert hatte: Schmuck, Edelmetalle, Edel- und Halbedelsteine, Kunstwerke, Briefmarkensammlungen, wertvolle Bücher, Münzen, Porzellan. Die Räume in der Sarphatistraat quollen bald über von den eingelieferten Sachen, weitere Räume mussten angemietet werden. Auch was jeder Jude persönlich behalten durfte, wurde mit der Verordnung geregelt: 1 silberne Uhr, 1 Trauring, 1 silbernes Besteck; Teelöffelchen mussten abgeliefert werden. Das Raubgut wurde grob geschätzt und die Summe, als ob sie dem Kontobesitzer zustehe, stand vorläufig auf den monatlichen Kontoauszügen.
    Die Auszüge waren insgesamt eine Farce, denn mit der neuen Verordnung durften pro Monat für die ganze Familie nur noch 250 Gulden – und nicht mehr 1000 wie bisher – abgehoben werden. Zugleich mussten alle Versicherungen, Pensionen und Renten an die Bank übertragen werden. Unter dem Vorwand, jüdischen Besitz zu verwalten, organisierten die Deutschen einen der größten Raubzüge in der modernen Geschichte Europas.
    Von den Besatzern gedrängt, die für die kommende Arbeit auf zuverlässige niederländische Handlanger angewiesen sind, errichtet Hauptkommissar Tulp am 1. Juni das »Büro für jüdische Angelegenheiten« innerhalb der Amsterdamer Polizei. Wie der schon bestehende polizeiliche »Nachrichtendienst« ist auch diese Abteilung mit Polizisten besetzt, die überzeugte NSB ler sind. Beide Teams arbeiten eng mit der deutschen Polizei zusammen.
    Am Merwedeplein 27 in Amsterdam Zuid ist der 12. Juni ein Freudentag. Anne Frank feiert ihren 13. Geburtstag, der Gabentisch ist reich belegt. Das schönste Geschenk, heiß ersehnt, ist ein Tagebuch, mit kariertem Stoffeinband und Schnappverschluss. An diesem aufregenden Tag reicht es nur zu einer kurzen Eintragung: »Ich werde, hoffe ich, dir alles anvertrauen können, wie ich es noch bei niemandem gekonnt habe, und ich hoffe, du wirst mir eine große Stütze sein.« Gelassen wird das junge Mädchen in der folgenden Woche ins Tagebuch schreiben, dass Juden keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen dürfen und ihre Fahrräder abgeben müssen. Weshalb ihr der lange Weg zum jüdischen Lyzeum in der Innenstadt bei der sommerlichen Hitze sehr beschwerlich ist. Was sie nicht erwähnt, weil die Franks eine Katze haben: Hunde sind für Juden ab Juli verboten. Die Tiere mussten zu einem Sammelplatz in Amsterdam gebracht werden. Niemand hat je erfahren, was mit den Tieren geschah.
    Bei den deutschen Machthabern ist Gelassenheit rar. Aus Berlin kommt Mitte Juni vom Eichmann-Büro die Mitteilung, dass die Quote der Juden, die bis Ende 1942 aus den Niederlanden gen Osten

Weitere Kostenlose Bücher