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Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Titel: Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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singend und vom klingenden Spiel des Musikkorps ihrer Amsterdamer Kameraden begleitet, zu ihrer Kaserne in der Ferdinand Bolstraat. »Die Schalkhaarder« wurden die Neuen genannt, nach ihrem Ausbildungsort, wo NS -Ideologie, Rassenlehre inklusive, zum Unterricht der deutschen Ausbilder gehörte. Im Unterschied zur normalen Amsterdamer Ordnungspolizei, die in den Straßen patrouillierte oder im Revier Dienst tat und bei Arbeitsschluss nach Hause ging, waren die Schalkhaarder kaserniert. Sie trugen eine schwarze Uniform, Stahlhelm und waren nicht älter als 23 Jahre, eine Elitetruppe.
    Im März forderten die Besatzer vom Jüdischen Rat weitere 3000 jüdische Arbeitslose an, um die jüdischen Arbeitslager zu füllen. Das Alter der Einzuberufenden wurde auf 18 Jahre gesenkt. Bis Ende des Monats hatten 1702 Männer in Amsterdam die ärztliche Gesundheitsprüfung durchlaufen, 863 von ihnen wurden für tauglich erklärt. Daraufhin ersetzten die Deutschen die jüdischen Kontroll-Ärzte durch nichtjüdische NSB -Mediziner. Sie erklärten im April von weiteren 1000 Männern immerhin 625 für tauglich, 478 von ihnen erschienen zur Abfahrt am Hauptbahnhof.
    Jan Meijer, Jahrgang 1925, war zu Kriegsbeginn mit seiner Familie nach Amsterdam gezogen. Sein engster Freund blieb Loetje, der in Floradorp wohnte; die beiden Jungen sahen sich weiterhin regelmäßig. Im März bekam Loetje, der Jude, einen Aufruf fürs Arbeitslager. Als Hans Meijers Vater davon hörte, beschwor er seinen Sohn: »Du musst Loetje überzeugen, dem nicht zu folgen. Er würde nicht wieder zurückkommen. Er kann erst einmal bei uns bleiben, dann werde ich eine Adresse zum Untertauchen besorgen.« Stundenlang besprachen die Freunde die Sache bei einem Spaziergang. Doch Loetje war nicht zu überzeugen: »Jan, wenn ich nicht gehe, holen sie meinen Vater, meine Mutter und meinen kleinen Bruder.« Jan Meijer, der Christ, war beeindruckt. Loetje wurde für tauglich erklärt und fuhr ins Lager Hardenberg, weit fort im nordöstlichen Holland. Im Mai bekam Jan Meijer eine Karte von Loetje aus dem Arbeitslager; dann hat er nie mehr etwas von seinem Freund gehört.
    Ab 1. April 1942 galten in den Niederlanden die »Nürnberger Rassengesetze«, die im Herbst 1935 Deutschlands Juden juristisch zu Menschen zweiter Klasse gestempelt hatten. Eine Folge: »Mischehen« zwischen niederländischen Juden und Nichtjüdinnen – und umgekehrt – waren ab sofort verboten. Die Juden selbst durften nicht mehr im Amsterdamer Rathaus heiraten. In der Joodse Schouwburg fand sich ein kleines Zimmer, wo sich nun jüdische Paare das Ja-Wort gaben, während im Theatersaal die Proben liefen, der Teppichboden gesaugt und an den Kulissen gehämmert wurde.
    Neben den Verstößen gegen grundlegende niederländische Gesetze gab es Normalität, für alle: Am 13. April, es sind Osterferien, geht die zwölfjährige Anne Frank in Amsterdam Zuid zum nächsten Polizeirevier und meldet den Diebstahl ihres Fahrrads. Sie gibt zu Protokoll: gestohlen etwa 15 Uhr 10, es stand vor ihrem Haus am Merwedeplein 27 und hat einen Wert von rund 45 Gulden. Anstandslos füllt der Polizist einen Meldezettel über den Verlust aus, der in den Akten die Jahre überdauern wird. Fünfmal wird an diesem Tag ein Fahrraddiebstahl gemeldet, nichts besonderes. De Telegraaf meldet wenige Tage später, die Polizei rechne in Amsterdam mit rund 20   000 Fahrraddiebstählen jährlich.
    Am 29. April 1942 ist es vorbei mit der Normalität, für alle: Die Zeitungen melden, dass auf Anordnung der Besatzung alle Juden ab dem sechsten Lebensjahr in den Niederlanden eine »Kennzeichnung« tragen müssten. Zwei Tage zuvor waren die Vorsitzenden des Jüdischen Rates, von Ferdinand aus der Fünten, dem organisatorischen Chef der Amsterdamer Zentralstelle für jüdische Auswanderung ( ZjA ), in sein Büro bestellt worden. Er hatte ihnen mitgeteilt, worin diese »Kennzeichnung« bestand: ein gelber sechszackiger Stoff-Stern mit der Aufschrift »Jood« war ab Sonntag, dem 3. Mai, deutlich sichtbar in der Öffentlichkeit auf der Kleidung zu tragen. Der Jüdische Rat musste die gesamte Organisation erledigen. Seine Mitarbeiter machten Überstunden, um 569   355 Stoff-Sterne in Paketen auf die jüdischen Büros und Synagogen in Amsterdam zu verteilen. Jeder erwachsene Jude in der Stadt war verpflichtet, vier Sterne zu kaufen; Kosten vier Cent pro Stück und ein Punkt auf der Bezugsscheinkarte für Textilien. Niemand erfuhr, woher die

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