Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Titel: Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
Vom Netzwerk:
Der Inhaber war »gesperrt«, das bedeutete, »bis auf Weiteres vom Arbeitseinsatz freigestellt«, weil er als Mitarbeiter des Jüdischen Rates galt.
    Einen Tag, nachdem die deutschen Besatzer den führenden Amsterdamer Juden mitgeteilt hatten, dass ein Teil ihrer Glaubensgenossen in Deutschland Arbeitsdienst leisten müsse, meldeten die verbotenen Nachrichten der BBC : 700   000 polnische Juden seien seit Kriegsbeginn von den Deutschen ermordet worden. Der Amsterdamer Jude Sam Cohen lebte damals bei seiner Mutter am Kastanjeplein, nur Minuten vom Oosterpark entfernt. Einer der Untermieter erzählte ihm von der BBC -Meldung. Rückblickend erinnerte sich Sam Cohen, dass er sich weigerte, es zu glauben, obwohl er gleichzeitig die vage Ahnung hatte, dass es höchstwahrscheinlich die Wahrheit war: »Hätte ich dem zugestimmt, dann wäre ich verpflichtet gewesen, mich anders zu verhalten, meinen gesamten Lebenskreis aufzugeben, alles hinter mir zu lassen und mich zu retten, egal wie.« Es hat wohl die Mehrheit der Juden in Amsterdam so gedacht.
    Es wurde zum offenen Geheimnis, was die Mitarbeiter des Jüdischen Rates von der ZjA erfahren hatten. Informationen und Gerüchte gingen wie ein Lauffeuer durch die Stadt. Sie lösten in der jüdischen Gemeinde Panik aus, Resignation, innere Zerrissenheit. Sollte man einfach stillhalten, nach dem Motto: mir wird nichts passieren, es kann nicht sein? Oder musste man nicht endlich aktiv werden, etwas tun gegen die steigende Bedrohung, so diffus sie auch war?
    Die Mitarbeiter beim Jüdischen Rat ( JR ) gingen an ihre schreckliche Arbeit. Sie prüften die Karteikarten des Einwohnermeldeamtes, wo seit der Registrierung im Frühjahr 1941 jeder der rund 80   000 Juden und jeder jüdische Haushalt in Amsterdam mit Namen und Adressen aufgezeichnet war, und entschieden, wer zum »Arbeitsdienst« fortmusste. Draußen vor ihren Büros drängten sich schon in den frühesten Morgenstunden die Wartenden. Sie wollten eine »Sperre« beantragen, um keinen Aufruf zu erhalten. Es musste »vor jedem Büro des JR berittene Polizei plaziert werden, um die Menschen in Schach zu halten, die um eine Stelle und damit um ihr Leben kämpfen«. Weiter in Mirjam Levies Beschreibung: »Der ratlose Blick in den Augen der Menschen, die Verbissenheit, mit der sie ihr Ziel auf Kosten von allem und jedem zu erreichen versuchen und dabei alle Skrupel und alles Mitgefühl für andere über Bord werfen, kann ich nicht zu Papier bringen.« Die fünfundzwanzigjährige Angestellte beim Jüdischen Rat weigert sich, die Aufforderungen zum Arbeitseinsatz zu tippen, statt dessen markiert sie die Karten der Freigestellten. Doch im Stillen ist sie realistisch genug, sich einzugestehen, »dass es im Grunde keinen Unterschied macht«.
    Eine Alternative gab es zur »Sperre«: Man konnte versuchen unterzutauchen. Allerdings war es zu dieser Zeit für Juden fast aussichtslos, einen geheimen Unterschlupf zu finden, noch dazu für eine ganze Familie. Es gab keine Netzwerke von nichtjüdischen Helfern, die gebraucht wurden, um das Überleben im Verborgenen zu sichern, angefangen bei gefälschten Zuteilungskarten für Lebensmittel, Kleider, Schuhe. Im Notfall musste es heimlich ärztliche Hilfe und gefälschte Ausweise geben. Ein finanzielles Polster war lebensnotwendig. Jüdische Familien wie die Franks, die für den Fall weitergehender Verfolgungen schon vor dem Juli Vorsorge zum Untertauchen getroffen hatten, waren im Sommer 1942 eine große Ausnahme.
    Otto Frank, Annes Vater, war gut vernetzt in der jüdischen Gemeinschaft Amsterdams. Er wird am letzten Juni-Wochenende, als der Jüdische Rat seine bittere Arbeit aufnahm, vom erzwungenen Arbeitsdienst in Deutschland erfahren haben, für den der 8. Juli Stichtag war. Sein Gespräch mit Anne zum Thema »Untertauchen« kam nicht aus heiterem Himmel.
    Es ist Sonntag, 5. Juli vormittags. Anne Frank schreibt in ihr Tagebuch, dass ihr Vater vor wenigen Tagen bei einem Spaziergang auf das Untertauchen zu sprechen kam: »Ich fragte, warum er jetzt schon darüber sprach.« Der Vater erinnert sie daran, dass die Eltern seit Monaten Kleider und Möbel bei anderen Menschen verstauen, damit sie nicht an die Deutschen fallen: »Aber noch weniger wollen wir selbst geschnappt werden.« Sie solle sich aber keine Sorgen machen über den Zeitpunkt, sondern ihr »unbeschwertes Leben« genießen, so lange es möglich ist.
    Es ist Nachmittag geworden am 5. Juli 1942. Anne Frank liegt in einem

Weitere Kostenlose Bücher