Leben mit Hochsensibilitaet
sie zur Überaktivität des Wahrnehmungs- und Nervensystems und können dieselbe Wirkung haben wie lang anhaltender Stress. Dies haben jedenfalls Untersuchungen gezeigt, und es scheint biologisch begründet zu sein.
Wenn es um kurzzeitige Überreizung geht, solltest du dir dessen zutiefst bewusst sein, dass Menschen nie identisch reagieren. Bei jedem liegt die Grenze von „zu viel“ anderswo. Versuche deshalb auch nicht, dich nach fremden Normen zu richten, sondern respektiere deine Eigenart.
Auch die Symptome von Überreizung äußern sich bei jedem ein bisschen anders. Meistens zeigen sich eines oder mehrere der folgenden Symptome: Unruhe, Herzklopfen, Erröten, Gefühlsschwankungen, Gedächtnis- und Konzentrationsverlust, Ermüdung, Schlaflosigkeit, Grübeln, Zittern, das Gefühl eines Knotens im Bauch, Muskelsteife, Schwitzen, Nicht-Bemerken oder Nicht-Wahrhaben-Wollen von Hungerimpulsen oder anderen Körpersignalen, unfreundliches und aggressives Verhalten, Rückzug aus der sozialen Situation, Schüchternheit, Angst.
Kurzzeitige Überreizung ist sehr hinderlich und kann, wenn sie über eine längere Periode auftritt, zu einem kumulativen Problem werden. Ich habe im Buch schon viele Tipps und Strategien aufgezeigt, die dir helfen, solche Situationen zu vermeiden. Dieses Kapitel stellt nützliche Informationen noch einmal zusammen dar.
Lang anhaltende Überreizung kommt anders zustande und hat einschneidende Folgen. Lang anhaltende Überreizung findet statt, wenn mehrere Überreizungsfaktoren längere Zeit andauern. Dann kann man von einem kumulativen Prozess ausgehen und es gibt eine chemische Anpassung im Körper in Form hormoneller Veränderungen. Wenn du lange Zeit überreizt bist, verändert sich dein Verhalten tiefgreifend und manchmal auch deine Persönlichkeit. Jeder, ob hochsensibel oder nicht, entwickelt in schwierigen Situationen Schutzmechanismen. Häufig sind das Mechanismen, die uns auf Dauer nicht gut tun. Wir unterdrücken beispielsweise unsere Gefühle, wir versuchen durch ungewöhnliches Verhalten aufzufallen,wir entwickeln Süchte, wir ziehen uns immer weiter aus dem sozialen Leben zurück, wir wagen nicht, gesunde Beziehungen einzugehen, wir entwickeln Angstneurosen, wir spalten unsere Persönlichkeit in mehrere Teilpersönlichkeiten, wir verdrängen oder wir werden extrem emotional und impulsiv. Kurz, die Folgen von lang andauernder und nicht erkannter Überreizung können alle möglichen Verformungen sein. Die meisten dieser Folgen mindern tendenziell die Lebensqualität. Sie stellen sich zwischen uns und unsere Lieben, sind unkontrollierbar und machen uns extrem und unberechenbar in unserem Verhalten.
In der Praxis zeigt sich, dass lang andauernde Überreizung in vielen Fällen schon in den ersten Lebensjahren von Hochsensiblen stattfindet. Ein Beispiel stellen Kinder dar, die in Problemfamilien aufwachsen. Wenn die Ursprungsumgebung einem Kind weder Sicherheit einflößt noch liebevoll ist, hat das für ein hochsensibles Kind viel stärkere Folgen als für ein weniger sensibles Kind. Weitere Beispiele für Probleme, die zu lang andauernder Überreizung führen, sind:
• als Kind ungewünscht zu sein
• gezwungen werden, Dinge zu tun, vor denen man Angst hat
• sexuelle, körperliche oder geistige Misshandlung
• ein Elternteil mit Alkoholproblem, körperlicher oder geistiger Krankheit
• große eingreifende Veränderungen wie Tod, Umzug oder Ehescheidung
• Aufgaben bekommen, die nicht dem Lebensalter oder der Entwicklung entsprechen.
Auch diejenigen, die auf andere Art als Kind verletzt werden, tragen die Spuren ihr Leben lang.
Wir müssen hier berücksichtigen, dass jedes Kind seine Erziehung auf einzigartige Weise erlebt. Forschungen zum Einfluss der Familienumstände auf die kindliche Entwicklung haben gezeigt, dasskeine Übereinstimmung zwischen den Geschwistern einer bestimmten Familie besteht; jedes Kind durchläuft auf einzigartige Art seine Kinderzeit und Jugend. Hochsensible werden allerdings durch die Umstände stärker geprägt. Häufig ist es so, dass derjenige der Familie, der am sensibelsten ist, unbewusst die meiste Aufmerksamkeit auf sich zieht. Das kann sowohl negative als auch positive Folgen haben. In einer Problemfamilie wird solch ein Kind häufig zum Blitzableiter. Manchmal versucht dieses Kind auch, mit aller Macht den lieben Frieden zu bewahren, macht sich selbst dadurch zur Zielscheibe und wird unschuldiges Opfer, oder manchmal entwickelt es
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