Leben mit Hochsensibilitaet
starken Stimmungsschwankungen leiden, können Schwierigkeiten haben, ihr Leben oder Teilgebiete davon auf befriedigende Erfahrungen auszurichten. Sie sind manchmal kürzere oder längere Zeit nicht fähig, sozialen Verpflichtungen nachzukommen, haben Probleme in der Schule, bei der Arbeit oder im Studium. Manchmal neigen sie zu Extremen, geben beispielsweise vielleicht außerordentlich viel Geld aus oder erleben intime Beziehungen so heftig, dass es immer wieder auf Streit oder Scheidung hinausläuft.
Erik schickte mir drei E-Mails an einem Tag. Auf meine Antwort-E-Mail kam dann von ihm zwei Wochen lang nichts mehr. Plötzlich erhielt ich eine Entschuldigung und eine lange Erklärung, warum er noch nicht geantwortet habe. So ging es einige Monate. Zwischen intensiven Kontakten lagen immer einige Wochen Stille. Im Laufe der Zeit konnte ich mir eine Vorstellung von Erik machen. Er studierte Jura, seine Leidenschaften waren Musik und abendliches Ausgehen und er hatte eine Freundin, die er selten sah, weil sie im Ausland arbeitete. Erik wusste seit einem Jahr, dass er hochsensibel war, und das hatte ihm viel Klarheit gegeben. Er litt vor allemdarunter, dass er gefühlsmäßig so unbeständig war. Er beschrieb sich als ein von Launen abhängiger Mensch. Die Launen waren vergleichbar mit dem Wechsel von Regen, Sturm und klarem blauem Himmel. Diese Launen wechselten manchmal an einem Tag mehrmals. Seine Freunde mochten ihn besonders wegen seines aufgeweckten Charakters, aber verstanden nicht so gut, warum er – in seinen düsteren Tagen – unerreichbar blieb. Seine Freundin kannte seine Gefühlsschwankungen besser, hatte aber von Zeit zu Zeit große Schwierigkeiten damit.
Erik schrieb mir, dass er sich selbst eigentlich unmöglich fand. Er manövrierte sich häufig in schwierige Situationen. Weil er so wechselhaft war, hatte er in der Vergangenheit viel Geld verschwendet, wie er selbst zugab. Er kämpfte mit chronischem Geldmangel und seine Schulden wuchsen stetig weiter. Er hatte mehrere Male spontan ein Flugticket gekauft und war für unbestimmte Zeit ins Ausland verzogen. Dadurch war sein Studium ziemlich durcheinander geraten. Auf seinen Reisen hatte er zwar viel erlebt, aber er hatte Schwierigkeiten, diese Eindrücke zu verarbeiten. Er glaubte, dass dies auch eine Folge seiner Hochsensibilität war. Er war in gefährlichen Gegenden gewesen und hatte viel Elend gesehen. Er fand das alles seinerzeit sehr eindrucksvoll und beeindruckte auch seine Freunde stark mit seinen Berichten. Andererseits ließen ihn die Eindrücke nicht mehr los. Er fühlte, dass er dem eigentlich nicht gewachsen war, und er konnte das nur schwer mit seinen Freunden und seiner Freundin besprechen. Weil er viel damit beschäftigt war, wurde seine Stimmung häufig sehr negativ.
Wenn er sich in solch einer negativen Stimmung befand, reizte ihn alles und jeder. Er reagierte diese Gereiztheit durch nächtelanges Ausgehen ab. Das ermüdete ihn allerdings chronisch und er sackte noch tiefer in eine depressive Stimmung. Zu der Zeit, in der er mir schrieb, litt er deutlich unter Depressionen und überlegte, in Therapie zu gehen. Seine Geschichte war voll von herabsetzenden Bemerkungen über sich selbst, ausgedrückt in Worten wie: energielos, schwach, zimperlich, Versager, unmöglicher Mensch.
Wankelmut in Denken und Fühlen kann sehr unangenehm sein. Bestimmte Geschehnisse und Gedanken, auch starke körperliche Reize wie große Schmerzen, übermäßiger Alkohol-, Drogen- und Arzneimittelgebrauch, können solche Emotionen weiter verstärken. Unangemessenes Denken, Fühlen und Handeln ist ein weiterer verschlimmernder Faktor. Manchmal wissen Hochsensible nicht mehr, welche Emotionen zu welchen körperlichen Empfindungen gehören. Es kann sogar vorkommen, dass ein Hochsensibler immer wieder Situationen aufsucht, in denen er überreizt wird. Manche Hochsensible erkennen solche Situationen ungenügend oder reagieren nicht passend darauf, selbst wenn sie merken, dass ihnen die Situation nicht gut tun. Manchmal äußern emotional instabile Menschen ihre Gefühle auch auf extreme Art. Das kann die Situationen nur noch verschlimmern, weil es auch bei anderen extreme Reaktionen hervorruft.
6.3 Kurzzeitige Überreizung und Gleichgewicht
Die Zauberformel, wenn es um das Vermeiden kurzzeitiger Überreizung geht, ist: „Gleichgewicht durch Mäßigung“. Jeder natürliche und gesunde Prozess strebt automatisch ein Gleichgewicht an. Auch die Prozesse, die sich im
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