Leben mit Hochsensibilitaet
sich zu einem widerspenstigen und streitlustigen Familienmitglied. In jedem Fall beeinflusst die Hochsensibilität die Art und Weise, in der das Kind die Familienproblematik erlebt. Und zumeist vermitteln diese Problemkinder – fälschlicherweise – den Eindruck, sie würden sich besonders anstellen, auch weil ihre Geschwister anscheinend weniger leiden.
Langzeitüberreizung kann schließlich auch in späteren Lebensphasen vorkommen. Man denke zum Beispiel an Kriegserfahrungen oder das Ergebnis einer lang dauernden ungesunden intimen Beziehung.
Therapie ist für Hochsensible, die Wunden der Vergangenheit tragen, ein wichtiger Weg zur Heilung. Und selbstverständlich erreicht eine Therapie, die die Hochsensibilität speziell berücksichtigt, mehr als eine Therapie, die diesen Faktor nicht bedenkt. Therapeuten, die nicht erkennen, dass ihr Patient hochsensibel ist, können geneigt sein, die Kennzeichen von Hochsensibilität als Störungssymptome zu diagnostizieren. Sie halten eine hochsensible Person möglicherweise für überempfindlich; Ängste werden als Neurosen klassifiziert, Probleme in Beziehungen oder im Arbeitsleben als Einbildung, Übertreibung oder als Zimperlichkeit angesehen und intensives Verhalten als exzessiv. Wenn ein hochsensibler Mensch einmal in der Psychiatrie landet, erhält er schnell eine falsche Diagnose. Auch Medikamente werden dann schnell verschrieben. Kenntnis und Verständnis für das Phänomen Hochsensibilitäthilft sowohl Therapeuten als auch Patienten, besser zu verstehen, wie es in Hochsensiblen aussieht und welche Auswirkungen Traumata auf deren Leben haben können.
6.2 Körperliche oder psychische Probleme
Wir können grundsätzlich zwischen hauptsächlich körperlichen Problemen und hauptsächlich psychischen Problemen unterscheiden. Eine häufig gehörte Klage unter Hochsensiblen ist extreme Müdigkeit: lang dauernde und ungewöhnliche Müdigkeit. Eine solche körperliche Reaktion ist häufig die Folge des falschen Umgangs mit der Hochsensibilität. Hochsensibilität an sich ist nicht das Problem. Die Umstände aber haben manche Hochsensiblen unter zu großen äußeren oder inneren Druck gesetzt. Ernstlich ermüdete Hochsensible, bei denen keine körperliche Ursache nachweisbar ist, haben sich meistens gezwungen gesehen, sich einem Lebensstil anzupassen, der ihnen nicht entspricht. Manchmal entwickeln sie die Neigung, ihr Leben zunehmend stärker disziplinieren und kontrollieren zu wollen. In ernsten Fällen ist die Ermüdung so chronisch geworden – manchmal von Schmerzproblemen begleitet –, dass man von einem chronischen Erschöpfungssyndrom spricht.
Während eines Treffens hochsensibler Menschen in Amsterdam wurde das noch einmal deutlich. Viele der Anwesenden berichteten, dass sie an starker Ermüdung leiden. Ein verzweifelter Hilferuf einer der Anwesenden – eine junge Frau, der auf den ersten Blick nichts zu fehlen schien – rief eine Welle von Reaktionen hervor. Wer konnte ihr nur helfen? Sie wusste sich keinen Rat mehr. Sie suchte nur nach einem Ort, an dem sie sich einfach einmal ausruhen konnte. Sie war so müde, dass sie sich manchmal nicht mehr auf den Beinen halten konnte. Weder Arbeit noch Entspannung gelang ihr. Sie sah ihr Leben gänzlich schwarz und hoffte nur noch, irgendwo einmal zu sich kommen zu können, irgendwo anders als da, wo sie nun war. Um mich herum gab es sehr viel zustimmendes Gemurmel. Viele Menschen erkannten in dieser Geschichte ihr eigenesProblem. Auch in der Pause hörte ich ständig das Wort „müde“. Es fiel immer wieder. Diese Ermüdung müssen wir ernst nehmen. Es kann das Leben zur Qual machen, wenn wir nicht genügend darauf achten. Dieses Buch gibt dir hoffentlich einige Tipps, um Übermüdung zu vermeiden. Um ein Syndrom zu heilen, ist allerdings mehr nötig. Hochsensible mit Erschöpfungssyndrom oder Ähnlichem tun gut daran, Kontakt mit einer Gruppe aufzunehmen, die eingerichtet wurde, um Lösungen dieser Probleme zu finden.
Eines der oft angesprochenen psychischen Probleme, mit denen Hochsensible verhältnismäßig häufig zu kämpfen haben, sind Stimmungsschwankungen. In ernsten Fällen kann man von Störungen sprechen. In weniger ernsten Fällen bleiben die Stimmungen durch die Person handhabbar, stören aber das innere Gleichgewicht erheblich. Viele Hochsensible berichten, dass sie intensiv Gefühle erleben – positive wie negative. Sie erleben emotionale Höhen und tiefe emotionale Täler. Hochsensible, die unter
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