Leben mit Hochsensibilitaet
das nicht zu ihnen passt. In diesen Fällen kann man von einer ernsthaften Problematik ausgehen. Glücklicherweise haben nicht alle hochsensiblen Kinder derartige Probleme. Je mehr Verständnis man für sie hat, desto besser kann man sich auf ihre spezifischen Bedürfnisse einstellen.
Jonas ist zehn und sehr sensibel. In der Schule wird er regelmäßig geärgert. Er ist schwermütig und möchte manchmal lieber tot sein. Seine Mutter ist sehr besorgt, weil es ihm häufig nicht gut geht. Durch ihre Besorgtheit verliert sie allerdings immer mehr den Kontakt zu ihm. Schließlich kommt er zur Therapie bei Sandra Vonk. Sie hilft ihm, seine Gefühle in den Griff zu bekommen. Sandra lehrt auch seine Mutter, dass Kinder selbstständig durch ihre Gefühle, Worte oder Bilder angeben, was sie brauchen. Nach einigen Behandlungen wird Jonas kommunikativer. Er ist jetzt seltener allein in seinem Zimmer. Seine Mutter merkt, dass sie mit Jonas mehr über Dinge sprechen kann und dass er positiv reagiert, wenn sie ihm von Zeit zu Zeit ihre volle Aufmerksamkeit schenkt. Zusammenbesprechen sie beispielsweise, ob er nicht lieber zu einer anderen Schule gehen möchte, wo er nicht so geärgert wird.
Als hochsensibles Elternteil bemerkst du wahrscheinlich viel von dem, was in deinem Kind vorgeht. Du hast wahrscheinlich gute Antennen für seine Bedürfnisse und Unsicherheiten. Das ist für dein Kind natürlich ein großer Vorteil. Du wirst ihm, wenn du aus Liebe handelst, jederzeit beistehen und es so akzeptieren, wie es ist. Doch wenn du als Elternteil selbst in einer emotional schwierigen Familie aufgewachsen bist, kannst du blockiert sein in deinen Gefühlen von Liebe und Selbstwert. Vielleicht hast du als Kind zu hören bekommen, dass Gefühle nicht geäußert werden dürfen. Vielleicht wurde dir unterschwellig signalisiert, du taugtest nichts und seiest überflüssig. Es kann also sein, dass du selbst ungenügend Nestwärme und Liebe empfangen hast, diese aber deinem Kind jetzt geben möchtest. Dann ist wichtig, dass du dir klar darüber bist: Du wurdest durch deine eigene Erziehung geformt und diese bringst du mit in die Erziehung, die du selbst deinen Kindern gibst. Die Gefahr von Projektion besteht immer. Wahrscheinlich möchtest du Dinge ganz anders tun. Das ist positiv – doch nicht du selbst bist dein Kind. Und du bist auch nicht dein Elternteil. Vergiss das nicht. Dein Kind hat andere Bedürfnisse und Freuden als du. Es ist ein einzigartiges Wesen mit eigenen Wünschen, das seinen eigenen Weg zu gehen hat. Die Liebe, die dir fehlte, kannst du wohl deinem Kind geben, aber du musst dich selbst ebenso mit der Liebe und Anerkennung umgeben, die du brauchst.
Erziehung kann eine ziemliche Herausforderung sein. Manchmal wirst du gut daran tun, erst einmal auf dich selbst zu hören, damit du dich danach unbefangen, vorurteilsfrei deinem Kind zuwenden kannst.
Vergiss nicht, dass du selbst zu einer Generation gehörst, in der Hochsensibilität noch ein unbekanntes Phänomen war. Es kann gut sein, dass die Erziehung, die du erhalten hast, nicht mit dem übereinstimmte, was du nötig hattest (selbst wenn deine Eltern es gut meinten). Es ist durchaus eine Kunst, jetzt als Erzieher das zu tun,was für dein hochsensibles Kind das Richtige ist. Inwieweit dir das gelingt, hängt von dem Maß ab, in dem du deine Traumata überwunden und verarbeitet hast.
Wie ein hochsensibles Kind aus einer gefühllosen, unausgeglichenen Erziehung ins Erwachsenenalter kommt, hängt von den präzisen Umständen und dem Charakter des Kindes ab. Als Elaine Aron ihre Untersuchungen an hochsensiblen Erwachsenen begann, entdeckte sie zwei Gruppen. Eine Gruppe erklärte, dass sie mit einem negativen Selbstbild zu kämpfen habe, mit Depressionen und Ängsten. Die andere Gruppe berichtete, dass sie keine signifikanten Probleme habe. Die Unterschiede zwischen beiden Gruppen waren ziemlich deutlich. Erst später entdeckte Aron, dass hochsensible Erwachsene mit Depressionen und Angstproblemen ohne Ausnahme aus problematischen Familien kamen; normalsensible Erwachsene mit vergleichbaren Jugendproblemen hatten längst nicht so viele Depressionen und Angststörungen.
Du hilfst deinem Kind, wenn du deine eigene Vergangenheit begreifst, die Fallstricke auf deinem Weg erkennst und die negativen Erfahrungen zu Lektionen von Weisheit transformierst. Als Elternteil brauchst und kannst du nicht perfekt sein. Die Erziehung, die du gibst, ist das Resultat der Lektionen, die du
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