Leben nach dem Tod - warum es nicht irrational, sondern logisch ist, an das Jenseits zu glauben
betrügen, und so erhält Guido am Ende seine wohlverdiente Strafe. 16 Wie dieses Beispiel zeigt, sorgt die kosmische Gerechtigkeit immer für einen Ausgleich, aber es widerspricht einfach der Realität zu behaupten, dass die Waagschalen in dieser Welt
stets ausgeglichen sind. Irdische Gerechtigkeit ist fehlerhaft und unvollkommen; vor diesem Hintergrund ist die Aussage von Barash und Shermer, dass moralisches Verhalten sich immer in diesem Leben auszahlt, nicht besonders überzeugend.
Alle diese evolutionären Versuche zur Erklärung moralischen Verhaltens verfehlen jedenfalls ihr Ziel, denn was auch immer sie erklären mögen, es hat nichts mit Moral zu tun. Stellen Sie sich einen Ladeninhaber vor, der regelmäßig seine Profite erhöht, indem er seine Kunden betrügt. Er macht das ganz behutsam, sodass er nie aufällt und sein guter Ruf nicht leidet. Obwohl der Mann im Spiel des Überlebens erfolgreich ist, wird ihm sein Gewissen, falls er denn ein solches hat, innerlich immer wieder zu schaffen machen. Das reicht vielleicht nicht aus, um sein Verhalten zu ändern, aber er wird sich zumindest nicht gut dabei fühlen und sich am Ende vielleicht selbst verachten. Welche Begründung haben unsere evolutionären Erklärungen dafür? Gar keine. Sie alle versuchen, moralisches Verhalten auf Eigennutz zu reduzieren, aber wenn man darüber nachdenkt, wird einem klar, dass echte Moral nicht auf dieses Niveau abgesenkt werden kann. Moral ist nicht die innere Stimme, die sagt: »Sei wahrhaftig, wenn es dir nützt« oder »Sei freundlich zu denen, die in der Lage sind, dir später einmal zu helfen«, sondern sie ist frei von solchen Berechnungen. Weit davon entfernt, der verlängerte Arm des Eigennutzes zu sein, schränkt die Stimme des unparteiischen Beobachters egoistisches Verhalten typischerweise ein. Denken Sie darüber nach: Wenn Moral einfach der verlängerte Arm unserer Selbstsucht wäre, dann würden wir sie nicht brauchen. Wir brauchen keine moralischen Vorschriften,
um den Leuten zu sagen, dass sie in ihrem eigenen Interesse handeln sollen; das tun sie ohnehin. Der Sinn moralischer Vorschriften und Verfügungen besteht gerade darin, die Leute dazu zu bringen, dass sie ihre eigennützigen Interessen unterordnen und einschränken.
Es gibt einen zweiten, tieferen Sinn, in dem evolutionäre Theorien menschliche Moral nicht erklären können. Wir erkennen das, wenn wir uns die verschiedenen Versuche zur Erklärung von Altruismus im Tierreich ansehen. Vor einiger Zeit stieß ich im Londoner Telegraph auf einen Artikel mit der Überschrift: »Animals Can Tell Right from Wrong«. 17 Ich las ihn mit Interesse und fragte mich, ob die Tiere nun endlich darüber nachdächten, dass es vielleicht nicht in Ordnung ist, andere Tiere zu fressen. Denn das größte Problem des Tierschutzes besteht immerhin darin, dass man auch die Tiere dazu bringen müsste, seine Gebote zu respektieren. Doch leider war der Artikel an diesem Punkt nicht erhellend. Aber es wurde über Beispiele berichtet, wie Wölfe, Kojoten, Elefanten, Wale und sogar Nagetiere gelegentlich ein kooperatives und altruistisches Verhalten zeigen. Das vielleicht eindrucksvollste Beispiel stammte aus der Arbeit des Anthropologen Frans de Waal, der Gorillas, Bonobos und Schimpansen untersucht hat. Er behauptet, dass unsere »nächsten Verwandten«, die Schimpansen, viele Verhaltensweisen an den Tag legen, die als moralisch gelten, darunter die Bevorzugung von Familienangehörigen und Altruismus auf Gegenseitigkeit. 18 Doch de Waal ist klar, dass Schimpansen zwar miteinander kooperieren oder sich gegenseitig helfen, aber nicht das Gefühl haben, dass sie helfen sollten. Anders gesagt: Sie haben kein Verständnis für die normative Basis moralischen
Verhaltens, die natürlich für Menschen die eigentliche Essenz der Moral darstellt. Bei der Moral geht es nicht nur um das, was wir tun, sondern vor allem um das, was wir tun sollten. Evolutionäre Theorien wie Vetternwirtschaft und Altruismus auf Gegenseitigkeit gehen völlig an diesem einzigartigen menschlichen Verständnis der Verpflichtung zu moralischem Verhalten vorbei. Solche Theorien können zwar unser Verständnis dafür fördern, warum wir uns kooperativ verhalten und anderen helfen, aber sie können nicht erklären, warum es gut oder richtig oder unsere Pflicht ist, sich so zu verhalten. Sie begehen das, was der Philosoph G. E. Moore einen »naturalistischen Fehlschluss« genannt hat, denn sie verwechseln das, was
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