Leben ohne Krankheit: »Einer der besten Mediziner Amerikas lehrt ein radikal neues Denken über unsere Gesundheit.« Al Gore (German Edition)
allgemeine Datenbank aufgenommen würde, deren Nützlichkeit sich dadurch tagtäglich verbesserte.
In diesem Szenario wäre Blut allerdings nicht die einzige Körperflüssigkeit, die wir auf Anzeichen für Gesundheit und Krankheit untersuchen können. Wahrscheinlich könnten wir auch Tränen, Speichel, Urin, Lymphflüssigkeit, Spinalflüssigkeit und so weiter analysieren. Aber Blut hat schon einige entscheidende Vorteile. Es ist eine tolle Sache, ein Sammelsystem in sich zu haben, das Flüssigkeiten von jeder Stelle im Körper zusammenführt. Blut ist sehr bequem für die Diagnostik; es ist leicht zu entnehmen, und weil es den Zellen Nährstoffe zuführt und Abfallstoffe entzieht, ist es an fast jedem wichtigen Vorgang im Körper beteiligt. Es ist also ein ausgezeichneter Einstieg in die Analyse des Gesundheitszustands.
Es ist erstaunlich, dass heutzutage der Arzt nach einigen äußerlichen Werten schaut – er misst die Temperatur, lässt Sie auf eine Waage steigen, bestimmt vielleicht den Blutwert einiger Chemikalien wie Kalium und die Anzahl der weißen Blutkörperchen – und dann entscheidet, was Sie tun sollen. Das erklärt teilweise, warum sich die Medizin auf diagnostische Behandlungen konzentriert statt auf aktive Prävention. Mit begrenztem Wissen ist eine diagnostische Medizin durchaus sinnvoll. Solange wir noch nicht wissen, was wir verhindern wollen oder wie man es am besten anfängt, müssen wir auf ein sichtbares Symptom warten, bis wir handeln können. An diesem Punkt haben wir es aber normalerweise mit einer Krankheit zu tun, die bereits lange Zeit hatte, sich zu entwickeln. Ein sehr viel effektiverer Ansatz wäre es, die Gesundheitsvorsorge auf bekannten, messbaren persönlichen Parametern zu basieren. Zum Glück entstehen jetzt endlich Technologien, mit denen wir diese Parameter messen und definieren können.
Als wir schließlich anfangen konnten, mit den Genen herumzuspielen, dachten alle: »Toll, schalten wir mal Gen X oder Y ab und schauen, was kaputtgeht.« Die größte Überraschung war dann wohl, dass mindestens in der Hälfte der Fälle gar nichts kaputtgeht, wenn man bei einem Versuchstier wie einer Maus ein Gen ausschaltet. Ein defektes Gen führt noch lange nicht zur Katastrophe, weil ein anderer Teil des Systems die Funktion übernimmt; eine solche Redundanz kann schließlich lebensrettend sein.
Ingenieure wissen, wie wichtig Redundanz ist. Nehmen wir beispielsweise ein Flugzeug, das ja nicht einfach vom Himmel fallen darf, nur weil irgendwo eine Störung vorliegt. Niemand würde sich einer solchen Höllenmaschine anvertrauen. Kein Flugzeugbauer könnte die Passagiere angesichts einer solch realen Gefahr überzeugen, ihr Leben zu riskieren. Menschliches Versagen ist immer möglich, und wenn ein Monteur vergisst, einen Bolzen ordentlich anzuziehen, oder einen Haarriss im Flügel übersieht, kann man sich vorstellen, was passieren würde. Ein Augenblick würde genügen. Deshalb sind Flugzeuge gegen einzelne Ausfälle durch menschliche Fehler ziemlich immun, und zwar durch eingebaute Redundanzen; erst wenn mehrere solche Ausfälle hintereinander oder gar gemeinsam auftreten, kommt es zu Problemen. Natürlich kann auch mangelnde Ausbildung oder unsachgemäßes Verhalten des Piloten in einer Notsituation zu einer Katastrophe führen (obwohl manche Flugzeuge inzwischen schon klüger als der Pilot sind und automatisch gegensteuern, wenn er einen Fehler macht). Wir sehen also: Redundanz ist eine tolle Sache. Sie erhält am Leben, nicht nur in der Druckkabine auf Reiseflughöhe, sondern auch auf molekularer Ebene – innerhalb unseres Körpers, wo allein im Gehirn pro Sekunde mindestens 100000 chemische Reaktionen ablaufen.
Hochentwickelte Systeme wie der menschliche Körper haben sich interessanterweise im Lauf ihrer Evolution hin zu Robustheit und Redundanz entwickelt. Robustheit kann man als eine Art Informationsverschleierung sehen. Man bekommt gar nicht unbedingt mit, wenn der Körper einen entscheidenden Bestandteil verliert, weil er einen Notfallplan hat, auf den er zurückgreift. Man kann es sich auch so vorstellen, dass der Körper auf verschiedene Umstände mit derselben Reaktion antwortet, auch wenn einige seiner Teile vielleicht defekt sind oder nicht immer richtig ansprechen. Ihr Körper ist ziemlich gut darin zu verheimlichen, was in seinem Inneren passiert. Etwas robust zu machen bedeutet, die Informationen darüber auf der Symptomebene zu verbergen, und das ist genau die
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