Leben ohne Krankheit: »Einer der besten Mediziner Amerikas lehrt ein radikal neues Denken über unsere Gesundheit.« Al Gore (German Edition)
und kontrolliert werden, wenn das Ergebnis wiederholbar sein sollte. Und selbst wenn es gelingen würde, Hunderttausende einzelner Proteinwerte im Blut zu messen, ergab sich als Nächstes ein großes mathematisches und damit computertechnisches Problem, nämlich, sie alle auszuwerten. Das Bild der Proteine jedes einzelnen Patienten ergibt eine 40 Gigabyte große Datei. Ich wusste, ich würde Hillis’ Hilfe nicht nur für den Anfang benötigen, sondern weit länger. Ich möchte Sie hier nicht mit den ingenieurtechnischen Einzelheiten langweilen, sondern nur so viel sagen, dass wir beide unser gesamtes Fachwissen aufbieten mussten. Wir griffen auf die Robotik und auf parallele Rechnerarchitektur zurück (das heißt, dass viele Berechnungen gleichzeitig, also parallel, durchgeführt werden) und bauten die Massenspektrometer um, die die einzelnen Proteine wiegen.
Die Arbeitsweise eines Massenspektrometers ist eigentlich einfach. Um die Eigenschaften einzelner Moleküle zu messen, ionisiert das Gerät sie, lädt sie elektrisch auf, um sie mithilfe magnetischer und elektrischer Felder verschieben und bewegen zu können. Die ionisierte Probe wird dann nach Masse und Ladung der Moleküle sortiert und getrennt, und diese getrennten Ionengruppen werden gemessen; das Ergebnis wird grafisch dargestellt. Weil Proteine meistens sehr große Moleküle bilden, zerlegt das Massenspektrometer sie zunächst in Fragmente von Aminosäurenketten, die dann nach Masse sortiert werden. Wir vergleichen dann die Ergebnisse jeder Probe mit in Datenbanken festgehaltenen bekannten oder vorausgesagten Protein-Fingerabdrücken, um das ursprüngliche Protein zu identifizieren. Das ist nur die kurze Schilderung des Verfahrens; in Wirklichkeit braucht man sehr viel mehr Technik, bis ein digitales Bild der menschlichen Proteine vorliegt. Die Methode ist einfach, aber das fehlerlose Zusammenwirken aller technischen Einrichtungen, besonders beim Umgang mit schnell veränderlichen und unstabilen Proben vom Menschen, ist alles andere als das!
Nach sechs Jahren mühevoller Arbeit stand dann 2009 unser Fließband bereit. Es führt die Hunderte notwendiger Schritte automatisch durch, und zum ersten Mal erhalten wir jetzt genaue und wiederholbare Ergebnisse. Wir können über 100000 Merkmale einer gegebenen Blutprobe identifizieren – Merkmale, die von Person zu Person dieselben zu sein scheinen.
Sehen wir uns einmal einen Blutstropfen an, der durch einen supraleitenden Magneten hindurchgegangen ist und uns genug Einzelheiten gezeigt hat, dass wir alle Proteine im Körper erkennen können. Wir können jetzt das System, das Proteinbild als Ganzes betrachten.
Quelle: Applied Proteomics.
Es wirkt fast wie ein Ausschnitt des Sternenhimmels, ist aber in Wirklichkeit eine hochauflösende Abbildung des menschlichen Proteoms. So sieht ein Blutstropfen aus, wenn man ihn mit einer 70000-Megapixel-Kamera fotografiert. Mit anderen Worten: Wir sehen hier ein »Bild« der Proteine, die im Blut des Betreffenden herumwirbeln. Das Bild umfasst auch Messungen auf atomarer Ebene, die so komplex sind, dass alle Daten aus der Probe zusammen 40 Gigabyte Speicherplatz fressen (das Bild zeigt übrigens nur einen Ausschnitt von etwa einem Vierundzwanzigstel aller Daten). Die Farben (hier nicht gezeigt) dienen der Angabe der Häufigkeit eines Proteins in einer gegebenen Position im Raum, wobei die häufigsten Proteine im Sternenfeld näher zu stehen scheinen. Wir wissen nicht unbedingt, was alle diese Punkte und Flecken bedeuten, aber viele Tausend von ihnen können wir als bekannte Proteine identifizieren und ihnen inzwischen auch Gene zuordnen. Das bedeutet, dass wir oft einige ihrer Funktionen kennen – zum Beispiel bei einem Protein, das beim Abbau von Koffein im Organismus hilft – oder den Ort, wo das betreffende Protein im Körper erzeugt wird (z. B. im Magen) und so weiter. Eine gute Analogie zum Verständnis der Möglichkeiten dieser Technologie wäre Google Earth: Wir können uns an einen einzelnen Punkt heranzoomen, ihn beispielsweise als ein für Kaltwasserfische typisches Protein bestimmen und daraus schließen, dass die untersuchte Person Lachs oder Heilbutt zum Mittagessen hatte. Natürlich möchten wir gerne nützlichere und aufschlussreichere Erkenntnisse gewinnen, etwa, ob Proteine vorhanden sind, die auf abnorme Vorgänge im Körper deuten, oder ob ein ungewöhnliches Muster auftritt, das den Ausbruch einer Krankheit ankündigt. Und genau das wird mit
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