Leben ohne Krankheit: »Einer der besten Mediziner Amerikas lehrt ein radikal neues Denken über unsere Gesundheit.« Al Gore (German Edition)
seine Züchtungsversuche mit Löwenmäulchen begann, um diese bohrende Frage ein für alle Mal zu beantworten. Er beobachtete, dass ein Merkmal einer Elternpflanze in ihren Nachkommen durch ein anderes überdeckt werden konnte – also Fälle von genetischer Dominanz. Darwin fasste diese Beobachtungen aber nie in klare Gesetze, wie es Mendel tat. Während Darwin in England mit den Löwenmäulchen experimentierte, schrieb Mendel Wissenschaftsgeschichte. Obwohl die beiden einander nie begegneten, führten sie fast identische Experimente durch und gelangten zu nahezu denselben Ergebnissen. Für die Grundlagen seiner Evolutionstheorie kam Darwin zum Glück mit der Erkenntnis aus, dass Nachkommen dazu neigen, ihren Eltern zu ähneln. Dabei konnte er es bewenden lassen und darauf seine großartige Theorie der natürlichen Zuchtwahl und des Überlebens der am besten Angepassten aufbauen. Die Geschichte hat ihr Urteil gefällt, weil die meisten Menschen zwar wissen, warum Darwin berühmt ist, aber nicht, woher man Mendels Namen kennt.
Zu Anfang des 20. Jahrhunderts war immer noch nicht bekannt, was eigentlich hinter den Vererbungsgesetzen steckt. Mendels Arbeit wurde erst 1866 veröffentlicht, kaum wahrgenommen und erst zur Jahrhundertwende allmählich anerkannt. Es sollte nach Mendels Publikation noch fast ein Jahrhundert dauern, bis die Naturwissenschaft einen Schritt weiterkam. Im Jahr 1953 postulierten James Watson und Francis Crick die Doppelhelix- oder Wendeltreppenstruktur des DNA-Moleküls. Watson und Crick hatten damit offiziell die DNA entdeckt, die Lehrbücher dauerhaft umgeschrieben und uns eine Vorstellung gegeben, wie das Geheimnis des Lebens eigentlich aussieht. Eine solche Leistung gewinnt in der Biologie fast religiöse Bedeutung. Mit einem Mal hatten wir etwas Fassbares, das uns zeigte, wie wir funktionieren und wie wir auf der molekularen Ebene aufgebaut sind. Alle Beobachtungen von Forschern seit Mendel und Darwin sowie die von ihnen angesetzten »Faktoren« konnten jetzt auf dieses eine, allem zugrundeliegende, scheinbar allmächtige Molekül namens Desoxyribonukleinsäure, die DNS oder DNA (nach dem englischen Begriff deoxyribonucleic acid ), zurückgeführt werden.
In einer Gesellschaft, die den Menschen besser zu verstehen versucht, genießt die DNA besonderen Respekt. Wir hatten ihre Existenz nicht nur lange vor ihrer Entdeckung vermutet, sondern wagten sogar die Voraussage, dass wir eines Tages ihren tatsächlichen Inhalt entschlüsseln würden, und das haben wir mit der Gensequenzierung tatsächlich geschafft. Sobald wir einmal wussten, wie wir mit der DNA im Laborversuch arbeiten mussten, entwickelte sich die Genetik explosionsartig. Anfang der 1980er-Jahre fand Kary Mullis eine elegante Methode zur Untersuchung von Genen mit Mitteln, die den meisten Biologen bereits zur Verfügung standen. In dieser Pionierzeit musste man für DNA-Experimente noch nicht viel Aufwand treiben, es genügten die richtigen Chemikalien, um die richtigen Reaktionen auszulösen. Ganz einfach gesprochen wärmte man eine DNA-Probe einige Male auf, kühlte sie wieder ab, goss sie in einen Wackelpudding, hielt eine Batterie daran, und dann hatte man eine Analyse der DNA. Weil das Sequenzieren so leicht war, stürzten eine Menge Forscher sich darauf, und tonnenweise interessante Ergebnisse wurden verfügbar. Der Vorgang selbst, die sogenannte Polymerase-Kettenreaktion (abgekürzt PCR für polymerase chain reaction ), sollte zur Grundlage einer rasch immer umfangreicher werdenden Bestimmung und Erforschung von Genen werden; Mullis erhielt 1993 den Chemie-Nobelpreis dafür.
Heutzutage sequenzieren wir Gene mit viel ausgefeilteren Geräten, die auch viel schneller sind. Einer der wichtigsten Fortschritte aufgrund dieser Art Forschung ergab sich für die Zoologie, die jetzt zum ersten Mal wirklich sagen kann, wie welche Arten miteinander verwandt sind; die Gene verraten ja sozusagen den Unterschied zwischen einem französischen und einem chinesischen Restaurant. Die Analyse der Zutaten verriet den kompletten Stammbaum, und der Wissenschaft erschlossen sich ganze neue Möglichkeiten. Natürlich wurde auch sofort überlegt, welche medizinischen Nutzanwendungen diese neue Technologie und die Informationen, die dadurch zugänglich wurden, haben könnten.
Aber konkrete Daten wie solche aus der DNA-Sequenzierung könnten uns und unser Krankheitspotenzial auch nicht vollständig erklären. Obwohl es in der Medizin dramatische
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