Leben ohne Krankheit: »Einer der besten Mediziner Amerikas lehrt ein radikal neues Denken über unsere Gesundheit.« Al Gore (German Edition)
25-Hydroxyvitamin D – den spezifischen Vitamin-D-Metaboliten im Körper, der als Indikator des Vitamin-D-Status eines Menschen dient – sind weiterhin in den USA und anderen Industriestaaten weltweit diejenigen mit der am stärksten wachsenden Nachfrage. Dieser ständige Anstieg führt bei den meisten Laboren für Pathologie zu Problemen bei der Einhaltung von Bearbeitungsfristen und Qualitätsstandards. In Teilen Kanadas haben die Labore die Vitamin-D-Spiegel-Tests schon ganz eingestellt, weil die Nachfrage für das vom öffentlichen Gesundheitswesen vorgesehene Budget viel zu hoch ist.
Es gibt zwei Gründe für diesen anhaltenden Trend zu Vitamin-D-Tests. Der eine ist die Nachricht, dass eine bedeutende Anzahl von Menschen ungenügende Vitamin-D-Werte hat (noch eine kürzliche Schlagzeile: Vitamin-D-Mangel-Epidemie weltweit ). Mit überraschender Regelmäßigkeit drucken oder senden große Medienkonzerne in den USA Interviews, in denen Ärzte und Gesundheitsexperten die Amerikaner warnen, viele von ihnen litten an Vitamin-D-Mangel. Allein die beiden Wörter Mangel und ungenügend reichen schon, um jeden gesundheitsbewussten Menschen nach einem Gegenmittel suchen zu lassen. In meiner Praxis haben so gut wie alle Patienten, die ich untersuche, in gewissem Grad einen Vitamin-D-Mangel. Unter den US-Amerikanern hatten laut der jüngsten Datenanalyse der National Health and Nutrition Examination Survey, einer Gesundheits- und Ernährungsumfrage, nur 23 Prozent der Erwachsenen und Heranwachsenden den als adäquat oder normal geltenden Vitamin-D-Spiegel von mindestens 30 ng/ml (Nanogramm pro Milliliter). Fast alle Afroamerikaner (97 Prozent) und die meisten Amerikaner mexikanischer Abstammung (90 Prozent) weisen einen als ungenügend bezeichneten Vitamin-D-Wert auf (unter 30 ng/ml).
Der zweite Trend sind die ständigen Schlagzeilen, die verkünden, wie gut ein ausreichender Vitamin-D-Spiegel für die Gesundheit sei. Von der Senkung des Krebsrisikos bis zur Abwehr von Infektionen und Erkältungen – Vitamin D hat heutzutage dank der ständigen Presseberichte und der zahlreichen klinischen Studien über den Zusammenhang von Vitamin-D-Mangel mit immer mehr Krankheiten praktisch eine eigene PR-Kampagne. Anfang 2010 veröffentlichte zum Beispiel das British Medical Journal die Ergebnisse einer Fall-Kontroll-Studie der European Investigation into Cancer and Nutrition (EPIC), die zeigten, dass Menschen, deren Vitamin-D-Wert im obersten Fünftel lag, ein um 40 Prozent geringeres Kolorektalkrebsrisiko hatten als diejenigen im untersten Fünftel. Keinen Monat später kam eine Studie in der Fachzeitschrift Arthritis & Rheumatism zu dem Ergebnis, dass ältere Männer mit Vitamin-D-Mangel im Röntgenbild zweimal so oft Anzeichen von Hüftarthrose aufweisen wie solche mit normalem Vitamin-D-Wert.
Vielleicht gehören Sie ja auch zu den vielen Menschen, die diesem Medienrummel erlegen sind, haben Ihren Vitamin-D-Wert untersuchen lassen und nehmen es jetzt als tägliches Nahrungsergänzungsmittel, oder Sie beugen sicherheitshalber vor und haben sich eine Flasche Vitamin D gekauft – kann ja nicht schaden, und vielleicht hilft es ja wirklich. Ich mache Ihnen deswegen auch keinen Vorwurf. Warum sollte man all der gut abgesicherten Fachliteratur und der Phalanx titelgeschmückter Wissenschaftler von angesehenen Institutionen misstrauen, die wie am laufenden Band Daten über den Zusammenhang von Vitamin-D-Mangel und Erkrankungen von sich geben?
Das ist eines der Probleme: Wir sprechen hier von Zusammenhängen und in ähnlichen schwammigen Ausdrucksweisen, die den medizinischen Laien verwirren und in die Irre führen können. Außerdem kann man im Wust der Lobeshymnen für Vitamin D leicht einige weitere Schlagzeilen übersehen, die ganz anders klingen. Hier drei Beispiele:
Vitamin D versagt bei Arthrose. In einer zweijährigen Studie hat Vitamin D als Nahrungsergänzung weder schmerzreduzierend gewirkt noch das Voranschreiten der Gelenkschädigung bei Patienten mit Arthrose des Kniegelenks verzögert.
Jährliche Vitamin-D-Aufnahme: Zusammenhang mit erhöhtem Sturz- und Frakturrisiko bei älteren Frauen. Laut einer placebokontrollierten Doppelblindstudie, deren Ergebnisse am 12. Mai 2010 im Journal of the American Medical Association erschienen, hatten ältere Frauen aus derselben Gemeinde, die jährlich eine hohe Dosis Vitamin D einnahmen, sogar ein gesteigertes Sturz- und Knochenbruchrisiko. Placebokontrollierte
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