Leben ohne Krankheit: »Einer der besten Mediziner Amerikas lehrt ein radikal neues Denken über unsere Gesundheit.« Al Gore (German Edition)
der Vitamin-D-Mangel in dieser Studie also lediglich alle übergewichtigen Teilnehmer aus? Das ist wie beim Ei und der Henne. Genauso verhält es sich mit Hunderten anderer Studien, die einen guten oder schlechten Gesundheitszustand mit dem Vitamin-D-Wert in Zusammenhang bringen.
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klar, was man mit Daten auch machen kann: Scheinzusammenhänge herstellen. Wenn die vorgelegten Daten ungeheuer ergiebig und aufschlussreich wirken, heißt das noch lange nicht, dass sie auch genau, zuverlässig oder vollständig sind. In dem Buch heißt es: »Korrelation ist einfach der statistische Begriff dafür, dass sich zwei Variablen gemeinsam verändern. Es ist meistens kalt, wenn es schneit; diese beiden Faktoren korrelieren positiv miteinander. Sonnenschein und Regen dagegen korrelieren negativ miteinander. Ganz einfach – solange es bei ein paar Variablen bleibt. Mit ein paar Hundert Variablen dagegen wird es sehr viel schwieriger.« Tatsächlich werden die Korrelationen irgendwann so fragwürdig, dass sie bedeutungslos werden. Und in der Gesundheitsforschung haben wir es mit einer unendlichen Anzahl an Variablen zu tun. Vitamin-D-Mangel kann auf ein chronisches Leiden wie Fettleibigkeit hindeuten, aber heißt das auch, dass der Mangel die Fettleibigkeit verursacht? Wir wissen es nicht.
Eine weitere Tatsache, auf die wenige Forscher in ihren Vitamin-D-Studien hinweisen, ist, dass nahezu alle reine Beobachtungsstudien waren. Vielleicht machen ja hohe Dosen des Vitamins die Menschen gar nicht gesünder, sondern gesündere Menschen pflegen einen Lebensstil, der den Vitamin-D-Spiegel hebt. Laut JoAnn E. Manson, Professorin an der Harvard University und Leiterin der Präventivmedizin am Brigham and Women’s Hospital in Boston, »haben manche Leute vielleicht einfach deshalb einen hohen Vitamin-D-Wert, weil sie viel Outdoor-Sport treiben und eine Menge UV-Licht von der Sonne aufnehmen. Oder vielleicht sind sie gesundheitsbewusst und nehmen Vitamin-D-Ergänzungsmittel. Aber diese Leute ernähren sich auch gesund, rauchen nicht und tun auch sonst viel, um gesund zu bleiben.«
Manson leitet gegenwärtig eine große, auf mehrere Jahre angelegte Studie, die Licht in die Vitamin-D-Problematik bringen soll. Die landesweite klinische Untersuchung erfolgt an 20000 gesunden Erwachsenen höheren Alters – Männer über 60 Jahre und Frauen über 65 –, um festzustellen, ob hohe Dosen Vitamin D und Omega-3-Fettsäuren aus Fischtran das Krebs- und Herzinfarktrisiko senken. Das ist bisher noch nie gemacht worden – es gibt noch keine Studie, die belegt, dass Vitamin D die Anfälligkeit für Krebs oder andere Krankheiten senkt. Selbst die Studien, die auf ein erhöhtes Krebsrisiko bei Bewohnern hoher Breitengrade (mit niedrigerem Vitamin-D-Spiegel) hindeuten, beweisen nicht, dass Vitamin D für diese Tendenzen verantwortlich ist. Manson stellt solche Korrelationen infrage, und damit ist sie nicht alleine.
Die Internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation veröffentlichte 2008 einen Bericht mit dem Titel »Vitamin D und Krebs«. Seine Schlussfolgerungen sind zwingend:
Ein Großteil des Datenmaterials, das einen Zusammenhang zwischen dem Vitamin-D-Status und einer Krebserkrankung suggeriert, stammt aus ökologischen Studien, die die Korrelation zwischen Breitengrad und Krebssterblichkeit untersuchten. Kausalschlüsse aus ökologischen Studien sind allerdings bedenklich, unter anderem, weil sie die unkontrollierte Einwirkung anderer Krebsrisikofaktoren, die ebenfalls mit dem Breitengrad variieren (zum Beispiel Ernährungsgewohnheiten oder die Melatoninbildung), nicht abgrenzen können. Studien aus den USA zeigen eine lediglich schwache Korrelation zwischen Breitengrad und Vitamin-D-Status; andere Faktoren wie Aktivität im Freien und Fettleibigkeit sagen den Vitamin-D-Status besser voraus. In Europa gilt das Umgekehrte; hier steigt der Wert von 25-Hydroxyvitamin D von Süden nach Norden an, und zwar parallel mit dem Auftreten von Kolorektal-, Brust- und Prostatakrebs.
Bei Menschen mit vergleichbarem Alter und Teint bestehen beträchtliche individuelle Unterschiede im Blutserumspiegel von 25-Hydroxyvitamin D selbst bei äquivalenter Sonnenlichtaufnahme. Insgesamt sind die Belege für Brustkrebs begrenzt, und für Prostatakrebs liegen keine vor.
Zwei placebokontrollierte, randomisierte
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