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Leben, um davon zu erzählen

Leben, um davon zu erzählen

Titel: Leben, um davon zu erzählen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel García Márquez
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zwei Probleme«, sagte er. »Sie haben geschrieben: >ln Harmonie mit der üpigen Flora unseres Landes, die der spanische Wissenschaftler José Celestino Mutis im 18. Jahrhundert der Welt bekannt gemacht hat, leben wir im Liceo Nacional in einer paradiesischen Umgebung.< Tatsache aber ist, dass üppig mit zwei p geschrieben wird und paradiesisch, paradisiaco, ohne Akzent.«
    Ich fühlte mich gedemütigt. Ich hatte keine Erklärung für den ersten Fehler, aber im zweiten Fall war ich mir sicher und erwiderte sofort mit dem bisschen Stimme, das mir geblieben war:
    »Verzeihen Sie, Herr Rektor, aber das Wörterbuch lässt paradisiaco mit und ohne Akzent zu, mir erschien es aber mit der Betonung auf der drittletzten Silbe klangvoller.«
    Er muss sich ebenso angegriffen gefühlt haben wie ich, denn er sah mich immer noch nicht an, sondern nahm, ohne ein Wort zu sagen, das Wörterbuch aus dem Regal. Mein Herz verkrampfte sich, denn es war das gleiche Nachschlagewerk wie das meines Großvaters, nur neu und glänzend und vielleicht noch ungebraucht. Auf Anhieb öffnete er es auf der richtigen Seite, las den Eintrag und las ihn noch einmal und fragte mich, ohne den Blick von der Seite zu lösen:
    »In welcher Klasse sind Sie?«
    »In der dritten.«
    Er schloss das Wörterbuch mit dem festen Schlag eines Fangeisens und sah mir zum ersten Mal in die Augen.
    »Bravo«, sagte er, »weiter so.«
    Seit jenem Tag fehlte nur noch, dass mich meine Klassenkameraden zum Helden erklärten, jedenfalls begannen sie mich höchst ironisch »der Karibe, der mit dem Rektor gesprochen hat« zu nennen. Am meisten hatte mich bei dem Gespräch getroffen, dass ich wieder einmal mit meinem persönlichen Drama, dem der Orthografie, konfrontiert worden war. Ich habe sie nie verstanden. Einer meiner Lehrer versuchte müden Gnadenstoß mit dem Hinweis zu geben, dass Simon Bolívar wegen seiner desaströsen Rechtschreibung seinen Ruhm nicht verdiene. Andere trösteten mich mit der Entschuldigung, es sei ein verbreitetes Leiden. Noch heute, nach siebzehn publizierten Büchern, sind die Korrektoren meiner Druckfahnen so galant, grobe Schnitzer wie einfache Tippfehler zu verbessern.
    Die Geselligkeiten in Zipaquirá entsprachen im Allgemeinen jedermanns Neigung und Wesensart. Die Salzbergwerke, die schon die Spanier vorgefunden hatten, waren am Wochenende eine touristische Attraktion, die mit Bauchfleisch im Bratrohr und Schneekartoffeln in großen Salzpfannen vervollständigt wurde. Wir Internatsschüler von der Küstenregion, die wir den wohlverdienten Ruf genossen, laut und unmanierlich zu sein, zeigten uns wohlerzogen, indem wir wie die Artisten zu der Musik, die gerade Mode war, tanzten, und waren auch so stilvoll, uns unsterblich zu verlieben.
    Ich entwickelte sogar ein solches Maß an Spontaneität, dass ich an dem Tag, als das Ende des Weltkriegs bekannt wurde, mit den anderen auf die Straße zog; es war eine Demonstration des Jubels, mit Fahnen, Transparenten und Siegesgeschrei. Man suchte nach einem Freiwilligen, der eine Rede halten sollte, und ich ging, ohne lang zu überlegen, auf den Balkon des Club Social an der Plaza Mayor und improvisierte mit vollmundigen Ausrufen eine Ansprache, die vielen wie auswendig gelernt erschien.
    Es war die einzige Rede, die ich in meinen ersten siebzig Jahren improvisieren musste. Ich schloss mit einem lyrischen Lobgesang auf die Großen Vier, die Aufmerksamkeit der Plaza erregte ich jedoch mit der Ehrung des Präsidenten der Vereinigten Staaten, der kurz zuvor gestorben war: »Franklin Delano Roosevelt, der wie der Cid auch nach seinem Tod Schlachten zu gewinnen wusste.« Dieser Satz schwebte noch einige Tage in der Stadt und wurde auf Straßenplakaten und unter den Porträts von Roosevelt in einigen Geschäften reproduziert. Also hatte ich meinen ersten öffentlichen Erfolg weder als Dichter noch als Romancier, sondern als Redner, schlimmer noch: als politischer Redner. Seitdem gab es keine öffentliche Veranstaltung des Liceo, bei der ich nicht auf den Balkon geführt wurde, nur handelte es sich dann immer um Reden, die schriftlich formuliert und bis zum letzten Zug verbessert worden waren.
    Im Laufe der Zeit schlug diese freche Unbefangenheit jedoch in eine Angst vor öffentlichen Auftritten um, die mich fast zu völliger Stummheit verdammte, ob nun auf den großen Hochzeiten oder in den Kneipen der Indios in Poncho und Hanfschuhen, wo wir versumpften. Im Haus von Berenice, die schön und ohne Vorurteile war

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