Leben, um davon zu erzählen
Eifer des Streichs vergessen, wo er das Los versteckt hatte, und die ganze Familie kramte bei der verzweifelten Suche in Schränken und Koffern und stellte das Haus auf den Kopf. Noch beunruhigender war jedoch die kabbalistische Summe des Gewinns: 770 Pesos.
Die schlechte Nachricht war, dass meine Eltern sich endlich den Traum erfüllt hatten, Luis Enrique in das Erziehungsheim Fontidueno in Medellin zu schicken, nach ihrer Überzeugung eine Schule für ungehorsame Kinder und nicht das, was es tatsächlich war: ein Gefängnis zur Rehabilitation junger Verbrecher der gefährlichsten Sorte.
Den endgültigen Entschluss fasste Papa eines Tages, als er den ungebärdigen Sohn losgeschickt hatte, Schulden für die Apotheke einzutreiben, und Luis Enrique, statt Papa die acht Pesos, die man ihm ausgezahlt hatte, zu übergeben, sich davon eine hoch gestimmte Gitarre, einen Tiple, kaufte, den er meisterlich zu spielen lernte. Als mein Vater zu Hause das Instrument entdeckte, gab er keinen Kommentar dazu ab, forderte aber weiter bei dem Sohn die eingetriebenen Schulden an, dieser antwortete jedoch immer, dass die Krämerin kein Geld gehabt habe, um zu bezahlen. Es waren etwa zwei Monate vergangen, als Luis Enrique hörte, wie mein Vater sich auf dem Tiple selbst zu einem improvisierten Lied begleitete: »Schau mich an, ich spiele nun den Tiple, der acht Pesos mich gekostet hat.«
Wir haben nie erfahren, wie er dahinter gekommen war und warum er so getan hatte, als ob ihn die Gaunerei des Sohnes nichts anginge, dieser verschwand jedenfalls aus dem Haus, bis meine Mutter ihren Mann beruhigt hatte. Zu jener Zeit waren die ersten Drohungen zu hören, dass Luis Enrique ins Erziehungsheim nach Medellin käme, aber wir achteten nicht weiter darauf, denn Papa hatte auch schon angekündigt, mich aufs Priesterseminar nach Ocana zu schicken, nicht als Strafe für irgendetwas, sondern der Ehre wegen, einen Priester im Haus zu haben - ein Plan, der schneller vergessen war, als es gedauert hatte, ihn auszuhecken. Der Tiple aber hatte das Fass zum Überlaufen gebracht.
Über die Aufnahme musste ein Jugendrichter entscheiden, doch Papa überwand die fehlenden Voraussetzungen mit Hilfe gemeinsamer Freunde und einem Empfehlungsschreiben des Erzbischofs von Medellin, Monseñor Garcia Benitez. Luis Enrique seinerseits bewies wieder einmal seine Gutmütigkeit, er ließ sich dorthin bringen, als ginge es zu einem Fest.
Ohne ihn waren die Ferien nicht dasselbe. Er hatte sich immer wie ein berufsmäßiger Musiker mit dem wunderwirkenden Schneider und meisterhaften Tiple-Spieler Filadelfo Velilla zusammengetan und natürlich auch mit Maestro Valdés. Es war alles leicht gewesen. Wenn wir von den aufreizenden Bällen der Reichen kamen, überfielen uns im Schatten des Parks heimlich kleine Horden von Lehrmädchen mit allerlei Versuchungen. Einem Mädchen, das dort vorbeikam, aber nicht dazugehörte, schlug ich in Verkennung der Tatsachen vor, sie solle mit mir kommen, sie erwiderte jedoch mit beispielhafter Logik, das könne sie nicht, weil ihr Mann daheim schliefe. Zwei Nächte später ließ sie mich aber wissen, sie werde dreimal die Woche, wenn ihr Mann nicht zu Hause sei, die Tür zur Straße unverriegelt lassen, damit ich ohne Klopfen hereinkönne.
Ich weiß noch ihren Namen und Nachnamen, habe aber beschlossen, sie wie damals Nigromanta zu nennen. Weihnachten sollte sie zwanzig werden, und sie hatte ein abessinisches Profil und elfenbeinfarbene Haut. Sie war eine freudige Bettgenossin mit steinerweichenden Orgasmen und einem Instinkt für die Liebe, der weniger einem menschlichen Wesen als einem aufgewühlten Fluss zu gehören schien. Wir fielen im Bett übereinander her und verloren schon beim ersten Mal den Verstand. Ihr Mann hatte - wie Juan Breva - den Körper eines Riesen und die Stimme eines kleinen Mädchens. Er war Polizeioffizier im Süden des Landes gewesen, und ihm hing der schlechte Ruf an, Liberale abzuknallen, nur um seine Zielsicherheit zu üben. Sie wohnten in einem Raum, der durch eine Pappwand abgeteilt war, eine Tür ging zur Straße, die andere auf den Friedhof. Die Nachbarn klagten darüber, dass sie mit dem Gejaule einer glücklichen Hündin den Frieden der Toten störe, doch je lauter sie jaulte, desto glücklicher werden die Toten über die Störung gewesen sein.
In der ersten Woche hatte ich einmal um vier Uhr früh aus dem Raum flüchten müssen, weil wir uns im Datum geirrt hatten und der Polizist jeden Augenblick
Weitere Kostenlose Bücher