Leben, um davon zu erzählen
auftauchen konnte. Ich stahl mich aus der Tür zum Friedhof, der erfüllt war von Irrlichtern und dem Gebell nekrophiler Hunde. An der zweiten Kanalbrücke sah ich ein Trumm von Mann auf mich zukommen, den ich erst erkannte, als er auf meiner Höhe war. Es war der Sergeant persönlich, der mich in seinem Haus angetroffen hätte, wäre ich nur fünf Minuten später aufgebrochen.
»Guten Tag, Weißer«, sagte er durchaus herzlich im Vorübergehen.
Ich erwiderte wenig überzeugend:
»Gott schütze Sie, Sergeant.«
Da blieb er stehen und bat mich um Feuer. Ich gab es ihm, rückte nah an ihn heran, um das Streichholz vor dem frühen Morgenwind zu schützen. Als er mit der brennenden Zigarette beiseite trat, meinte er gut gelaunt:
»Du riechst aber nach Nutte, mein lieber Mann.«
Der Schrecken war nicht, wie ich erwartet hatte, von langer Dauer, denn am nächsten Mittwoch schlief ich wieder bei ihr ein, und als ich die Augen öffnete, sah ich den verletzten Rivalen vor mir, der mich schweigend vom Fußende aus betrachtete. Meine Panik war so groß, dass ich kaum weiter atmen konnte. Sie, die ebenfalls nackt war, versuchte sich zwischen uns zu werfen, doch ihr Mann schob sie mit dem Revolverlauf beiseite.
»Misch dich nicht ein«, sagte er. »Bettgeschichten werden mit Blei erledigt.«
Er öffnete eine Flasche Rum, stellte sie auf den Tisch, und wir setzten uns einander gegenüber und tranken, ohne zu sprechen. Ich konnte mir nicht vorstellen, was er vorhatte, dachte mir aber, dass er, hätte er mich töten wollen, nicht so viele Umstände machen würde. Kurz darauf erschien Nigromanta in ein Laken gehüllt, wie zu einem Fest, doch er zielte mit dem Revolver auf sie.
»Das hier ist eine Sache unter Männern.«
Sie verschwand mit einem Sprung hinter der Pappwand.
Wir hatten die erste Flasche leer getrunken, als die Sintflut hereinbrach. Daraufhin öffnete er die zweite Flasche, hielt den
Lauf gegen seine Schläfe und sah mich starr mit eisigen Augen an und drückte den Abzug ganz durch. Es erfolgte jedoch nur ein trockener Schlag. Ich konnte kaum das Zittern meiner Hand beherrschen, als er mir den Revolver reichte.
»Du bist dran«, sagte er.
Es war das erste Mal, dass ich einen Revolver in der Hand hielt, und es überraschte mich, wie schwer und wie warm er war. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich war von eisigem Schweiß bedeckt, und in meinem Bauch brodelte es schaumig. Ich wollte etwas sagen, aber ich brachte nichts heraus. Es kam mir nicht in den Sinn, auf ihn zu feuern, ich gab ihm den Revolver zurück, ohne zu merken, dass ich damit meine einzige Chance vertan hatte.
»Was? Hast du dich voll geschissen?«, fragte er mit glücklicher Verachtung. »Das hättest du dir vorher überlegen sollen.«
Ich hätte ihm sagen können, dass auch Machos sich mal in die Hosen scheißen, aber ich merkte, dass ich keinen Mumm für fatale Scherze hatte. Dann öffnete er die Trommel des Revolvers, zog die einzige Patrone heraus und warf sie auf den Tisch: Die Hülse war leer. Ich fühlte mich nicht erleichtert, sondern entsetzlich gedemütigt.
Der Platzregen verlor gegen vier Uhr früh an Kraft. Beide waren wir so erschöpft von der Anspannung, dass ich mich nicht daran erinnern kann, wann er mir den Befehl gab, mich anzuziehen, und ich gehorchte geradezu feierlich wie bei einem Duell. Erst als er sich wieder hinsetzte, merkte ich, dass er derjenige war, der weinte. Schamlos und in Strömen, mit seinen Tränen prunkend. Schließlich wischte er sie mit dem Handrücken weg, schnauzte sich in die Finger und stand auf.
»Weißt du, warum du so lebendig hier rauskommst?« Und antwortete sich selbst: »Weil dein Papa mir eine alte Hundegonorrhöe kuriert hat, mit der drei Jahre lang keiner fertig geworden war.«
Er schlug mir auf die Schulter wie ein Mann und stieß mich auf die Straße. Es regnete noch immer, und das Dorf war völlig verschlammt, so dass ich, das Wasser bis zu den Knien, durch einen Bach watete und mich wunderte, noch am Leben zu sein.
Ich weiß nicht, wie meine Mutter von dem Zwischenfall erfuhr, in den nächsten Tagen startete sie jedenfalls eine hartnäckige Kampagne, um mich daran zu hindern, abends aus dem Haus zu gehen. Und sie behandelte mich so, wie sie Papa behandelt hätte, mit Ablenkungsmanövern, die nicht viel nützten. Sie suchte nach Hinweisen, dass ich mich außer Hauses entkleidet hatte, entdeckte Parfümspuren, wo es keine gab, bereitete mir schwere Mahlzeiten, bevor ich ausging,
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