Leben, um davon zu erzählen
nicht, oder die sie verschlüsselten, damit ich sie nicht verstand. Aber es lief genau umgekehrt: Ich saugte das Gehörte wie ein Schwamm auf, nahm es auseinander, vertauschte die Teile, um die Herkunft zu vertuschen, und wenn ich die Geschichten dann jenen erzählte, die sie erzählt hatten, waren sie sprachlos, wie sehr das, was ich sagte, mit dem übereinstimmte, was sie dachten.
Manchmal machte mir mein Gewissen zu schaffen, und ich versuchte das durch rasches Zwinkern zu überspielen. Das ging so weit, dass ein Rationalist in der Familie entschied, ein Augenarzt solle mich untersuchen, der wiederum führte das Zwinkern auf meine angegriffenen Mandeln zurück und verordnete mir jodierten Rettichsaft, der mir sehr nützlich war, um die Erwachsenen zu beruhigen. Die Großmutter kam ihrerseits zu dem tröstlichen Schluss, ich sei Hellseher. Das machte sie zu meinem liebsten Opfer, bis sie eines Tages ein Schwindelanfall überkam, weil ich wirklich geträumt hatte, dem Großvater sei ein lebendiger Vogel aus dem Mund geflogen. Die Angst, ich könne daran schuld sein, wenn er starb, war das erste mäßigende Element meiner frühreifen Zügellosigkeit. Jetzt denke ich, dass es keine Kinderbosheiten waren, wie man meinen könnte, sondern rudimentäre Erzähltechniken eines angehenden Schriftstellers, um die Realität unterhaltsamer und verständlicher zu machen.
Mein erster Schritt ins wirkliche Leben war die Entdeckung des Fußballspiels, mitten auf der Straße oder in einigen benachbarten Gemüsegärten. Mein Lehrer war mein Freund Luis Carmelo Correa, der einen eigenen Instinkt für Sport und ein angeborenes Talent für Mathematik hatte. Ich war fünf Monate älter als er, er machte sich aber über mich lustig, weil er größer war und schneller wuchs. Wir bolzten erst mit Lumpenbällen, und ich brachte es zu einem guten Torwart, als wir dann aber mit einem dem Reglement entsprechenden Ball spielten, verpasste er mir einen solchen Schuss in den Magen, dass meine Ambitionen auf der Strecke blieben. Als Erwachsene haben wir uns ein paar Mal wiedergetroffen, und ich stellte bei diesen Gelegenheiten mit großer Freude fest, dass wir immer noch so wie als Kinder miteinander umgingen. Die eindrucksvollste Erinnerung aus jener Zeit ist jedoch der flüchtige Anblick des prächtigen offenen Automobils, in dem der Generalbeauftragte der Bananengesellschaft mit einer Frau, deren lange, goldene Haare im Winde flatterten, vorbeifuhr, während im Fond, wie ein König, ein Schäferhund saß. Das waren kurze Erscheinungen aus einer fernen und unglaublichen Welt, die uns Sterblichen verboten war.
Ich begann bei der Messe zu ministrieren, ohne große Frömmigkeit, aber mit einer Gewissenhaftigkeit, die mir vielleicht als wesentlicher Bestandteil des Glaubens gutgeschrieben wird. Wegen solcher Tugenden wurde ich wohl mit sechs Jahren zu Pater Angarita gebracht, um in die Mysterien der ersten Kommunion eingeweiht zu werden. Das änderte mein Leben. Man begann, mich wie einen Erwachsenen zu behandeln, und der Mesner führte mich ins Ministrieren ein. Mein einziges Problem war, dass ich nicht begriff, wann ich die Glocke zu läuten hatte, und das nach reiner Eingebung tat. Beim dritten Mal drehte der Pater sich nach mir um und befahl mir schroff, nicht mehr zu läuten. Der angenehme Teil des Amtes war, wenn wir, der andere Messdiener, der Mesner und ich, allein zurückblieben, um die Sakristei aufzuräumen, und dann die übrig gebliebenen Hostien zu einem Glas Wein aßen.
Am Vorabend der ersten Kommunion nahm mir der Pater ohne weitere Vorbereitung die Beichte ab; er saß wie ein richtiger Papst auf dem Thronsessel, und ich kniete auf einem Plüschkissen vor ihm. Mein Bewusstsein von Gut und Böse war reichlich schlicht, doch der Pater unterstützte mich mit einem Beichtspiegel, nach dem ich sagen sollte, welche Sünden ich begangen hatte und welche nicht. Ich glaube, ich habe gut geantwortet, bis er mich fragte, ob ich Widerwärtiges mit Tieren angestellt hätte. Es war mir auf eine konfuse Weise bekannt, dass einige Erwachsene mit den Eselinnen eine Sünde begingen, die mir unverständlich geblieben war, aber erst an jenem Abend lernte ich, dass man das auch mit Hühnern tun konnte. Auf diese Weise war meine Vorbereitung auf die erste Kommunion ein weiterer, entscheidender Schritt zum Verlust der Unschuld, und es gab keinerlei Anreiz, noch länger Messdiener zu sein.
Die Feuerprobe kam für mich, als meine Eltern mit meinen
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