Leben, um davon zu erzählen
aufrechterhielt.
Die Idee zu unserem Wochenblatt kam von Alfonso Fuenmayor und reichte sehr viel weiter zurück, aber ich glaube, dass die Abreise des weisen Katalanen das Projekt beschleunigt hat. Drei Nächte später, wir waren zu diesem Zweck im Café Roma versammelt, teilte Alfonso uns mit, er habe alles für den Start bereit. Es sollte eine Boulevardzeitung mit journalistischen und literarischen Beiträgen auf zwanzig Seiten werden, deren Name - Crónica - keinem viel sagen würde. Nach vier Jahren, in denen uns dafür die Mittel gefehlt hatten, die es sonst reichlich gab, schien es uns der reine Wahnsinn, dass Alfonso Fuenmayor se zusammengebracht hatte, und zwar bei Handwerkern, Automechanikern, pensionierten Stadträten und sogar bei Wirten, die sich komplizenhaft darauf einließen, Anzeigen für Rum zu schalten. Es gab allerdings auch Gründe für die Annahme, dass das Blatt in einer Stadt gut ankommen würde, die bei allem industriellen Aufschwung und Bürgerdünkel die Verehrung für ihre Dichter lebendig hielt.
Außer uns würde es nur wenige ständige Mitarbeiter geben. Der Einzige mit reicher professioneller Erfahrung war Carlos Osío Noguera - Vates Osío -, ein Lyriker und Journalist mit einem riesigen Körper und einer ganz eigenen sympathischen Ausstrahlung, Staatsbeamter und als solcher Zensor bei El National, wo er mit Álvaro Cepeda und Germán Vargas zusammengearbeitet hatte. Ein anderer sollte Roberto (Bob) Prieto sein, einer der seltenen Gelehrten der besseren Gesellschaft, der auf Englisch und Französisch genauso gut denken konnte wie auf Spanisch und mehrere Werke großer Meister auswendig auf dem Klavier spielte. Nicht recht einzusehen war, weshalb Julio Mario Santodomingo, den Alfonso Fuenmayor vorgeschlagen hatte, auf der Liste stand. Seine künstlerische und literarische Begabung fiel allerdings schon bei der ersten Begrüßung auf, und Alfonso Fuenmayor setzte sich bedenkenlos für ihn ein, weil Santodomingo beweisen wollte, dass er anders als die ändern sein konnte. Wir verstanden dennoch nicht recht, dass er dem Redaktionsrat angehören sollte, schien er doch wie geschaffen, ein lateinamerikanischer Rockefeller zu werden, intelligent, gebildet und herzlich, aber dazu verurteilt, in den Nebeln der Macht zu wandeln. Nur wenige wussten, was wir vier Anstifter der Zeitung wussten, dass es der heimliche Traum des 25-Jährigen war, Schriftsteller zu werden.
Direktor des Unternehmens sollte - das Recht hatte er sich erworben - Alfonso werden. Germán Vargas würde vor allem als großer Reporter in Erscheinung treten, und dieses Amt hoffte ich mit ihm zu teilen, nicht, wenn ich Zeit hätte - die hatten wir nie -, sondern dann, wenn mein Wunsch in Erfüllung ginge, dieses Metier zu erlernen. Álvaro Cepeda sollte während seiner freien Zeit an der Columbia-Universität Beiträge aus New York schreiben. Am Ende der Schlange war keiner so frei und begierig wie ich, zum Chefredakteur eines unabhängigen und unsicheren Wochenblatts ernannt zu werden, und das wurde ich dann auch.
Alfonso hatte seit Jahren ein Archiv angelegt und in den letzten sechs Monaten viel Arbeit im Voraus geleistet, Leitartikel, literarisches Material, hervorragende Reportagen und die Anzeigenversprechen seiner reichen Freunde gesammelt. Der Chefredakteur, ohne feste Arbeitszeit und mit einem besseren Gehalt als sonst ein Journalist meines Ranges, das allerdings von zukünftigen Gewinnen abhing, war ebenfalls darauf vorbereitet, die Zeitschrift gut und rechtzeitig herauszubringen. Endlich, als ich eine Woche später am Samstag um fünf Uhr nachmittags in mein Kämmerchen von El Heraldo trat, blickte Alfonso Fuenmayor nicht einmal hoch, weil er dabei war, sein Editorial fertig zu stellen.
»Beeilen Sie sich mit Ihrem Zeug, Meister«, sagte er, »denn nächste Woche kommt Crónica heraus.«
Ich erschrak nicht, weil ich diesen Satz schon zweimal gehört hatte. Aber alle guten Dinge sind drei. Das größte journalistische Ereignis der Woche - das uns einen absoluten Vorsprung versprach - war die Ankunft des brasilianischen Fußballspielers Heleno de Freitas für den Deportivo Junior, aber wir wollten nicht mit der Fachpresse konkurrieren, sondern über ein Ereignis von allgemeinem kulturellen und gesellschaftlichen Interesse berichten. Crónica hatte nicht die Absicht, sich auf eine Sparte festlegen zu lassen, erst recht nicht, wenn es um etwas derart Populäres wie Fußball ging. Die Entscheidung war einstimmig und die
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