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Leben, um davon zu erzählen

Leben, um davon zu erzählen

Titel: Leben, um davon zu erzählen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel García Márquez
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Arbeit effizient.
    Wir hatten so viel Material im Vorlauf, dass im letzten Moment nur die Reportage über Heleno ausstand, die dann von Germán Vargas geschrieben wurde, einem Meister der Gattung und Fußballfanatiker. Die erste Nummer war pünktlich am Samstag, dem 29. April 1950 an den Verkaufsständen, am Tag der heiligen Katharina von Siena, der Schreiberin himmelblauer Briefe an der schönsten Piazza der Welt. Crónica wurde mit einem Motto der letzten Stunde gedruckt: Ihr bestes Weekend. Wir wussten, dass wir damit den mürrischen Sprachpurismus, der damals in der kolumbianischen Presse vorherrschte, herausforderten, aber ich wollte etwas mit dem Motto ausdrücken, für das es im Spanischen kein ähnlich getöntes Äquivalent gab. Auf dem Titelblatt prangte Heleno de Freitas in einer Tuschzeichnung von Orlando Melo, dem einzigen Porträtisten unter unseren drei Zeichnern.
    Trotz der Hast in letzter Minute und der fehlenden Werbung war die erste Ausgabe bereits vollständig verkauft, als die Redaktion am nächsten Tag - es war Sonntag, der 30. April -geschlossen im städtischen Stadion auftauchte, wo das berühmte Lokalderby zwischen Deportivo Junior und dem Sporting Club ausgetragen wurde. Schon allein der Name von Heleno und die hervorragende Reportage von Germán Vargas nährten das Missverständnis, dass Crónica die in Kolumbien lang erwartete große Spottzeitschrift war.
    Das Stadion war völlig ausverkauft. In der sechsten Minute der ersten Halbzeit schoss Heleno de Freitas aus dem Mittelfeld mit links sein erstes Tor in Kolumbien. Obwohl am Ende Sporting drei zu zwei siegte, gehörte der Abend Heleno, und damit uns und unserem hellsichtigen Titelblatt. Dennoch war keine menschliche oder himmlische Macht dazu im Stande, dem Publikum begreiflich zu machen, dass Crónica keine Sportzeitschrift, sondern ein wöchentliches Kulturmagazin war, das dennoch Heleno de Freitas als großes Ereignis des Jahres würdigte.
    Es war keine Zufallsarbeit von Anfängern. Drei von uns, darunter natürlich Germán Vargas, pflegten in ihren allgemeinen Kolumnen Fußballthemen zu behandeln. Alfonso Fuenmayor war als Aficionado stets verlässlich informiert, und Álvaro Cepeda hatte jahrelang als Kolumbien-Korrespondent der Sporting News von Saint Louis, Missouri, gearbeitet. Doch die Leser, die wir uns wünschten, warteten nicht mit offenen Armen auf die nächsten Nummern, und die Fanatiker der Fußballstadien ließen uns unbarmherzig fallen.
    Wir versuchten, das Leck zu stopfen, und der Redaktionsrat beschloss, ich solle die zentrale Reportage über Sebastian Berascochea, einen anderen uruguayischen Star des Deportivo Junior, schreiben, in der Hoffnung, Fußball und Literatur miteinander zu versöhnen, wie ich es schon so oft in meiner täglichen Kolumne mit anderen okkulten Wissenschaften versucht hatte. Das Ballfieber, mit dem mich Luis Carmelo Correa auf den Äckern von Cataca angesteckt hatte, war fast auf null gesunken. Außerdem gehörte ich zu den vorzeitigen Fanatikern des karibischen Baseballs - des Pelotaspiels, wie wir es in der einheimischen Sprache nannten. Dennoch nahm ich die Herausforderung an.
    Mein Modell war natürlich die Reportage von Germán Vargas. Ich rüstete mich noch mit anderen Beispielen auf und fühlte mich nach einem langen Gespräch mit Berascochea erleichtert, der ein intelligenter, freundlicher Mann war und eine genaue Vorstellung davon hatte, was für ein Bild er vor seinem Publikum abgeben wollte. Ich habe ihn als vorbildlichen Basken identifiziert und beschrieben, ging dabei von seinem Nachnamen aus, ohne mich mit der Kleinigkeit aufzuhalten, dass er tiefschwarz und von bester afrikanischer Herkunft war. Das war der größte Fehlstoß meines Lebens, und er kam für die Zeitschrift im ungünstigsten Moment. Ein Leserbrief, der mich als einen Sportjournalisten beschrieb, der einen Ball nicht von einer Trambahn unterscheiden könne, sprach mir aus dem Herzen. Selbst Germán Vargas, immer sehr sorgfältig mit seinen Urteilen, bestätigte Jahre später in einem Erinnerungsband, dass die Reportage über Berascochea das Schlechteste war, was ich je geschrieben hatte. Ich glaube, er übertrieb, aber nicht allzu sehr, denn keiner beherrschte das Handwerk wie er; seine Chroniken und Reportagen waren in einem so flüssigen Ton geschrieben, dass er sie dem Setzer laut erzählend diktiert zu haben schien.
    Wir gaben weder Fußball noch Baseball auf, da beide an der Karibikküste populär waren,

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