Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy
erwähne sie nur, um dem Gelehrten zu zeigen, daß ich die Sache selbst weiß –
Daß dieser Ambros Paräus der Leibarzt und Nasenflicker von Franz IX. von Frankreich war, und in hoher Achtung bei diesem sowie den zwei vorhergehenden oder nachfolgenden Königen (ich weiß nicht wie sie heißen) war – und daß er mit Ausnahme des Fehlgriffs, den er in seiner Geschichte von der Nase des Taliacotius und in seiner Art wie er diese ansetzte, beging – bei allen Aerzten jener Zeit als ein größerer Kenner in Sachen der Nase galt denn Irgendeiner, der eine Nase in die Hand genommen.
Dieser Ambros Paräus nun überzeugte meinen Vater, daß die wahre und wirkliche Ursache dessen, was so sehr die Aufmerksamkeit der Welt erregt, und woran Prignitz und Scroderus soviel Gelehrsamkeit und schöne Talente vergeudet hatten, – weder hierin noch darin zu suchen sei; – daß vielmehr die Länge und Güte der Nasen einfach von der Weichheit und Nachgiebigkeit der Brust der Amme herrühre; – wie die Stumpfheit und Kürze kleiner Nasen von der Festigkeit und Elasticität desselben Organs der Nahrung bei frischen und lebhaften Ammen herkomme; – welch' letzteres zwar angenehm für die Frau aber verderblich für das Kind sei, da seine Nase hierdurch so abgestumpft, verstoßen, verschlagen und verkühlt werde, daß sie niemals
ad mensuram suam legitimam
gelangen könne; – während falls die Brust der Amme oder Mutter mürbe und weich sei – die Nase, sagte Paräus, wie in Butter hineinsinke und dadurch gepflegt, genährt, aufgeschwellt, erfrischt, erquickt und zum Wachsthum angeregt werde.
Ich habe über Paräus nur noch zweierlei zu bemerken: erstens, daß er dies Alles mit der größten Züchtigkeit und Wohlanständigkeit im Ausdruck erklärt; – wofür seine Seele ewigen Frieden haben möge!
Und zweitens, daß Ambros Paräus mit seiner Hypothese nicht nur die Systeme von Prignitz und Scroderus gründlich über den Haufen warf – sondern auch zugleich das System des Friedens und der Harmonie in unserer Familie; und drei Tage lang nicht nur das Verhältniß zwischen meinem Vater und meiner Mutter zerrüttete, sondern auch im ganzen Hause Alles umkehrte, meinen Onkel Toby ausgenommen.
Gewiß fand zu keiner Zeit und in keinem Lande je eine lächerlichere Erzählung von einem Streite zwischen einem Manne und seiner Frau den Weg durch das Schlüsselloch einer Hausthüre.
Sie müssen nämlich wissen, daß meine Mutter – doch ich habe Ihnen erst noch 50 nöthigere Dinge mitzutheilen; – es liegen noch hundert Schwierigkeiten vor mir, die ich zu beseitigen versprochen habe, tausend Nöthen und häusliche Widrigkeiten wachsen eine aus dem Nacken der anderen über mich herein. Eine Kuh brach heute früh in die Schanze meines Onkels Toby, fraß 2½ Rationen Heu und riß die Rasen aus, womit das Hornwerk und der bedeckte Weg verkleidet war. – Trim besteht darauf, daß ein Kriegsrecht über sie abgehalten werde – die Kuh soll erschossen – Slop gekreuzigt – ich selbst getristramt und bei meiner Taufe zum Märtyrer gemacht werden. – Was sind wir Alle doch für unglückliche arme Teufel! – ich muß noch gewickelt werden – doch ich habe keine Zeit zu weiteren Ausrufungen. – Ich ließ meinen Vater auf seinem Bette liegen und meinen Onkel Toby auf dem alten befranzten Stuhl neben ihm sitzen, und versprach, ich würde in einer halben Stunde zu ihnen zurückkehren; und nun sind schon 35 Minuten vorüber. – Gewiß ist dies die größte Verlegenheit, in der man jemals einen sterblichen Schriftsteller gesehen hat; denn ich habe auch noch den Folioband des Hafen Slawkenbergius fertig zu machen; – ein Gespräch zwischen meinem Vater und meinem Onkel Toby über die Lösung von Prignitz, Scroderus, Ambros Paräus, Panocrates und Grangousier zu erzählen; – eine Geschichte aus Slawkenbergius zu übersetzen; und das Alles in keiner Zeit, weniger 5 Minuten! – Was braucht man da für einen Kopf dazu! – ich wollte, meine Feinde sähen nur, wie es in ihm aussieht.
83. Kapitel.
Es gab keine unterhaltendere Scene in unserer Familie – und um ihr in diesem Punkte Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, – und hier nehme ich meine Mütze ab und lege sie auf den Tisch neben mein Schreibzeug, um meine Erklärung vor der Welt in Betreff dieses Punktes um so feierlicher abzugeben, – ich glaube, so wahr ich lebe (falls mich nicht Eigenliebe und Parteilichkeit für meinen Verstand verblendet), die Hand des höchsten
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