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Leben und Schicksal

Leben und Schicksal

Titel: Leben und Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wassili Grossman
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nach einem Verhör, das aus hemmungslosem Fluchen und hysterischem Geschrei bestand, an Ort und Stelle der Befehl zu seiner Erschießung erteilt. In letzter Minute – er stand schon unter dem Baum – hatten die Rotarmisten ihren Kommandeur freibekommen können.
    »Ja, Genosse Oberstleutnant«, sagte Krymow, »das war kein Scherz.«
    »Einen Herzschlag habe ich nicht bekommen«, antwortete Batjuk, »aber einen Herzfehler habe ich mir doch geholt, das schon.«
    Krymow sagte in etwas theatralischem Ton: »Hören Sie die Schüsse in Rynok? Irgendwas ist da bei Gorochow im Gange.«
    Batjuk warf ihm einen schrägen Blick zu.
    »Was wird der schon machen, wahrscheinlich spielt er Karten.«
    Krymow sagte, dass man ihn auf das Treffen hingewiesen habe, das Batjuk mit den Scharfschützen abhalten wolle; er fände es interessant, bei diesem Treffen dabei zu sein.
    »Aha, interessant, ja natürlich, warum nicht«, sagte Batjuk.
    Sie sprachen über die Lage an der Front. Batjuk war über die geheime, sich in den Nächten vollziehende Konzentration deutscher Streitkräfte am nördlichen Frontabschnitt beunruhigt.
    Als sich die Scharfschützen im Unterstand des Divisionskommandeurs versammelten, wurde Krymow klar, für wen die Pirogge gebacken worden war.
    Auf den Bänken, die an den Wänden und um den Tisch herum aufgestellt waren, ließen sich Männer in wattierten Jacken nieder; sie waren verlegen, befangen und doch selbstbewusst. Die Neuankömmlinge stellten ihre Maschinenpistolen und Gewehre in die Ecke, bemüht, keinen Lärm zu machen, wie Arbeiter, die ihre Spaten und Äxte aus der Hand legen.
    Das Gesicht des berühmten Scharfschützen Saizew wirkte freundlich und anziehend – ein netter, ruhiger Bauernbursche. Doch als Wassili Saizew den Kopf wandte und die Augen zukniff, hatte es plötzlich fast brutale Züge.
    Krymow erinnerte sich an eine Beobachtung, die er zufällig einmal vor dem Krieg gemacht hatte: Eines Tages, auf einer Sitzung, hatte er einen alten Bekannten aufmerksam betrachtet und dabei plötzlich festgestellt, dass dessen sonst stets so energisch wirkendes Gesicht vollkommen verändert aussah – die blinzelnden Augen, die hängende Nase, der halb geöffnete Mund und das fliehende Kinn ergaben zusammen das Porträt eines willenlosen, ausdrucksleeren Mannes.
    Neben Saizew saßen der Granatwerferschütze Besdidko, ein schmalbrüstiger Mann mit braunen, lachenden Augen, und der junge Usbeke Suleiman Chalimow, dessen Gesicht mit dem weichen Mund noch einen fast kindlichen Ausdruck trug. Artilleriescharfschütze Mazegur, der sich ständig mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn wischte, wirkte wie ein friedlicher Familienvater – ein Aussehen, das mit der schrecklichen Tätigkeit eines Scharfschützen ganz und gar nicht zu vereinbaren war.
    Die übrigen Scharfschützen – die Artillerieleutnants Schuklin, Tokarew, Manschulja, Bulatow und Solodki, machten allesamt einen schüchternen und gehemmten Eindruck.
    Batjuk fragte die Ankömmlinge aus; mit seinem gesenkten Kopf wirkte er wie ein wissbegieriger Schüler und nicht wie einer der erfahrensten und kenntnisreichsten Kommandeure von Stalingrad.
    Als er sich an Besdidko wandte, leuchtete in den Augen aller Anwesenden die fröhliche Erwartung eines Scherzes auf.
    »Na, wie steht’s bei dir, Besdidko?«
    »Gestern hab ich den Deutschen gründlich den Marsch geblasen, Genosse Oberstleutnant, das haben Sie ja alle gehört; seit heute Morgen habe ich fünf Fritzen umgelegt und dabei vier Granaten verbraucht.«
    »Das reicht aber noch nicht an Schuklins Leistung heran; mit einer Kanone hat er vierzehn Panzer zerstört.«
    »Er hat sie mit einer Kanone zerstört, weil ihm nur eine Kanone in seiner Batterie übrig geblieben war.«
    »Ein Bordell hat er den Deutschen kaputtgemacht«, sagte der schöne Bulatow und wurde rot.
    »Ich habe es als ganz gewöhnlichen Unterstand eingetragen.«
    »Aha, Unterstand«, meinte Batjuk, »heute hat mir eine Granate die Tür rausgerissen.« An Besdidko gewandt, fügte er vorwurfsvoll hinzu: »Und ich dachte, jetzt schau einer mal diesen Hundesohn Besdidko an, was der da macht. Hab ich ihm etwa beigebracht, so zu schießen?«
    Der Richtkanonier Manschulja, der besonders verlegen schien, nahm ein Stück Pirogge und sagte leise: »Ein guter Teig, Genosse Oberstleutnant.«
    Batjuk klopfte mit einer Gewehrpatrone ans Glas.
    »Also, Genossen, jetzt aber Spaß beiseite.«
    Es war eine Produktionsberatung, die in den

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