Leben und Schicksal
Körper spürte die Berührung ihrer rauen, kräftigen Hände; über Schultern und Brust lief warmes Seifenwasser. Plötzlich verschluckte er sich, fing an zu zittern und zu würgen, schrie: »Mama … Mamotschka … Mama …«
Mit einem groben grauen Handtuch trocknete sie seine tränenden Augen, seine Haare und Schultern. Dann fasste sie ihn unter den Armen und hob ihn auf die Bank; sie bückte sich und trocknete seine streichholzdünnen Beine, zog ihm Hemd und Unterhose an und knöpfte die weißen, mit Stoff bezogenen Knöpfe zu.
Sie goss das schwarze, stinkende Wasser in einen Eimer und trug es hinaus.
Dann breitete sie ein Schaffell auf dem Ofen aus, deckte ein gestreiftes Leintuch darüber, nahm ein großes Kopfkissen von ihrem Bett und legte es an das Kopfende.
Sie hob Semjonow mühelos wie ein Küken hoch und half ihm auf den Ofen.
Semjonow lag halb im Fieberwahn. Sein Körper fühlte die unglaubliche Veränderung – der Drang der erbarmungslosen Welt, dieses gequälte Stück Vieh zu vernichten, war weg.
Doch weder im Lager noch auf dem Transport hatte er solche Qualen gelitten wie jetzt – die Füße schmerzten, die Finger taten weh, es riss in den Knochen, Übelkeit stieg auf. Schwarze Grütze ergoss sich in seinen Kopf, dann wieder wurde er leicht und leer, begann sich zu drehen. Es stach in den Augen, Schluckauf schüttelte ihn, und die Augenlider juckten. Minutenlang zog sich sein Herz zusammen und schien auszusetzen, Rauch füllte sein Inneres, und das Ende schien gekommen.
Vier Tage vergingen so. Dann kroch Semjonow vom Ofen und machte ein paar unsichere Schritte durch die Stube. Er konnte es nicht fassen, dass die Welt voll Essen war. Im Lager hatte es nur faule Rüben und trübe Brühe gegeben – die scheußliche, nach Verwesung stinkende Lagersuppe.
Hier aber sah er Hirse, Kartoffeln, Kohl und Speck, hörte draußen den Hahn krähen.
Wie ein Kind glaubte er plötzlich, die Welt werde von zwei Zauberern regiert, einem guten und einem bösen, und er fürchtete, jeden Augenblick könnte der böse wieder die Oberhand gewinnen, die ganze warme, üppige, gute Welt könnte verschwinden und er sich an einem Stück Gürtel kauend im Lager wiederfinden.
Christjas Handmühle beschäftigte ihn. Ihre Produktivität war unbefriedigend. Es kostete ihn einigen Schweiß, auch nur ein paar Handvoll grauen, rohen Mehls zu mahlen.
Semjonow reinigte mit Feile und Schmirgelpapier das Getriebe und zog die Schraube an, die den Mechanismus mit den Mahlsteinen aus flachen Steinen verband. Er tat alles, was man von einem gelernten Moskauer Mechaniker erwarten durfte, korrigierte die grobe Arbeit des bäuerlichen Handwerkers, doch danach ging die Mühle noch schlechter.
Semjonow lag auf dem Ofen und überlegte, wie man den Weizen besser mahlen könnte.
Am anderen Morgen nahm er die Mühle erneut auseinander und baute Rädchen und Teile einer alten Pendeluhr ein.
»Tante Christja, schaut her«, sagte er stolz und zeigte ihr, wie sein doppeltes Zahnradgetriebe funktionierte.
Sie sprachen nicht viel miteinander. Sie erzählte ihm nichts von ihrem 1930 verstorbenen Mann, von den verschollenen Söhnen, von der Tochter, die nach Priluki gegangen war und die Mutter vergessen hatte. Sie fragte ihn nicht, wie er in Gefangenschaft geraten und wo er geboren sei, auf dem Land oder in der Stadt. Er vermied es, die Hütte zu verlassen, und schaute immer erst lange aus dem Fenster, bevor er sich auf den Hof wagte und so schnell wie möglich wieder ins Haus zurückkehrte. Wenn die Tür laut schlug oder ein Krug zu Boden fiel, fuhr er zusammen und dachte, es sei mit den guten Kräften aus, die Macht der alten Christja Tschunjak wirke nicht mehr.
Wenn die Nachbarin zu Christja in die Hütte kam, verkroch er sich auf dem Ofen und versuchte, nicht zu schnaufen oder zu niesen. Doch es kam selten jemand.
Deutsche gab es in dem Dorf keine; sie hatten alle in der Eisenbahnsiedlung bei der Station Quartier bezogen.
Der Gedanke, dass er es ruhig und warm hatte, während rings um ihn Krieg herrschte, bereitete ihm keine Gewissensbisse; er hatte nur die eine Angst, wieder in die Welt der Lager und des Hungers zu geraten.
Wenn er morgens erwachte, wagte er nicht, die Augen zu öffnen, aus Angst, der Zauber sei über Nacht wieder dem Lagerzaun, den Wachposten und dem Scharren des Schöpflöffels auf dem Boden des leeren Kessels gewichen.
Er lag mit geschlossenen Augen und lauschte, ob Christja noch da war.
Er dachte wenig an die
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