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Leben und Schicksal

Leben und Schicksal

Titel: Leben und Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wassili Grossman
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Anruf. Doch Sawostjanow war der Erste, der ihn nach der Sitzung anrief.
    Der sonst so witzige, oft sogar frivole Sawostjanow sprach jetzt ganz ernst. »Es war ein Triumph, ein richtiger Triumph!«, sagte er.
    Er berichtete vom Vortrag des Akademiemitglieds Prassolow, der behauptet habe, seit der Zeit seines verstorbenen Freundes Lebedew, der den Strahlungsdruck des Lichtes erforscht habe, sei im physikalischen Institut keine so bedeutende Leistung mehr erbracht worden.
    Professor Swetschin habe über die mathematische Methode Strums referiert und gezeigt, dass bereits in der Methode neuartige Elemente enthalten seien. Er habe gemeint, nur Sowjetmenschen seien imstande, ihre Kräfte trotz des Krieges so selbstlos in den Dienst des Volkes zu stellen.
    Es hätten noch viele gesprochen, auch Markow, doch die gewichtigste und eindrucksvollste Rede habe Gurewitsch gehalten.
    »Der war wirklich prima«, sagte Sawostjanow. »Er hat genau das gesagt, worauf es ankam, ohne jede Einschränkung, hat Ihre Arbeit klassisch genannt und gemeint, sie sei mit den Arbeiten der Begründer der Kernphysik, Planck, Bohr und Fermi, zu vergleichen.«
    »Das ist stark«, dachte Strum.
    Kurz nach Sawostjanow rief Sokolow an.
    »Zu Ihnen kommt man ja heute gar nicht durch; ich probier’s nun schon zwanzig Minuten, immer besetzt«, sagte er.
    Auch Sokolow war freudig erregt.
    Strum sagte: »Ich hab ganz vergessen, Sawostjanow nach der Abstimmung zu fragen.«
    Sokolow sagte, Professor Gawronow, der Physikhistoriker, habe gegen Strum gestimmt, mit der Begründung, Strums Arbeit sei nicht wissenschaftlich untermauert und entspringe den idealistischen Vorstellungen westlicher Physiker, sie sei ohne praktische Perspektive.
    »Gar nicht schlecht, dass Gawronow dagegen ist«, sagte Strum.
    »Ja, vielleicht«, stimmte Sokolow zu.
    Gawronow war ein seltsamer Mann. Er versuchte bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu beweisen, dass alle Errungenschaften auf dem Gebiet der Physik mit Arbeiten russischer Gelehrter zusammenhingen, und stellte so unbedeutende Namen wie Petrow, Umow und Jakowlew vor Faraday, Maxwell und Einstein. Man hatte ihm den Spitznamen »Bruder Slawe« gegeben.
    Sokolow sagte: »Sehen Sie, Viktor Pawlowitsch, Moskau hat die Bedeutung Ihrer Arbeit sehr wohl erkannt. Bald werden wir bei Ihnen feiern.«
    Dann kam Marja Iwanowna an den Apparat und sagte: »Ich gratuliere, gratulieren Sie auch Ljudmila Nikolajewna in meinem Namen, ich freue mich ja so für Sie beide.«
    Strum sagte: »Alles ist eitler Wahn.«
    Doch es freute und erregte ihn trotzdem.
    Nachts, als Ljudmila Nikolajewna schon auf dem Weg ins Bett war, rief Markow an. Dieser feine Kenner der offiziellen Szene berichtete etwas anders als Sawostjanow und Sokolow über den Wissenschaftsrat.
    Kowtschenko, so erzählte er, habe nach der Rede von Gurewitsch unter allgemeinem Gelächter bemerkt: »Nun hat man also auch im mathematischen Institut schon die Glocken geläutet und Lärm geschlagen um die Arbeit Viktor Pawlowitschs. Zur Prozession ist es zwar noch nicht gekommen, aber das Kirchenbanner ist schon gehisst.«
    In dem Scherz Kowtschenkos witterte der argwöhnische Markow Missgunst. Seine übrigen Beobachtungen betrafen Schischakow. Alexej Alexejewitsch hatte sich nicht zu Strums Arbeit geäußert. Er hatte den Rednern zugehört, hatte genickt, aus Zustimmung vielleicht oder weil er sich sagte: »Kommt Zeit, kommt Rat«, das wusste man nicht. Jedenfalls wollte er die Arbeit des jungen Professors Molokanow über die Röntgenanalyse von Stahl für den Stalin-Preis vorschlagen, obgleich dieser Arbeit nur eine sehr begrenzte praktische Bedeutung für einige Edelstahlhersteller zukam.
    Nach der Sitzung sei Schischakow, so berichtete Markow weiter, zu Gawronow gegangen und habe mit ihm gesprochen.
    Strum sagte: »Sie sollten in die Diplomatie gehen, Wjatscheslaw Iwanowitsch.«
    Aber Markow, der keinen Sinn für Humor hatte, erwiderte: »Nein, ich bin experimenteller Physiker.«
    Strum ging zu Ljudmila ins Zimmer und sagte: »Man hat mich für den Stalin-Preis vorgeschlagen und viel Schmeichelhaftes über mich gesagt.«
    Dann berichtete er ihr von den Reden der Sitzungsteilnehmer.
    »Dieser ganze offizielle Erfolg ist natürlich Quatsch, aber weißt du, es ist scheußlich, sich immer minderwertig vorzukommen. Wenn ich den Saal betrete, traue ich mich nie in die erste Reihe, auch wenn sie frei ist. Ich setze mich immer irgendwo ganz weit hinten hin. Aber so ein Schischakow und ein

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