Lebendig und begraben
Schmerz jagte durch meinen Schädel. Einen kurzen Augenblick lang schmeckte ich Blut, dann wurde alles schwarz.
70. KAPITEL
Als ich endlich wieder zu mir kam und schließlich auch wieder klar sehen konnte, fand ich mich in einer Art holzgetäfeltem Konferenzraum wieder. Ich saß an einem Ende eines riesigen Konferenztisches aus Kirschholz, der wie ein Sarg geformt war.
In meinem Kopf klopfte es schmerzhaft, besonders inmeiner rechten Schläfe. Als ich versuchte meine Hände zu bewegen, stellte ich fest, dass meine Handgelenke mit Kabelbindern an die Metalllehnen eines edlen Bürostuhls gefesselt waren. Die Nylonbänder schnitten mir in die Haut. Meine Fußgelenke waren an die Mittelsäule des Stuhls gefesselt.
Ich konnte mich noch schwach erinnern, irgendwo hingeschleift worden zu sein. Man hatte mich aufrecht sitzend verschnürt und angeschrien. Zur Hölle, man hatte obendrein vermutlich sogar Wasserfolter angewandt. Ich fragte mich, wie lange ich wohl schon zusammengesackt auf diesem Stuhl gesessen hatte.
Am gegenüberliegenden Ende des Tisches saß David Schechter und betrachtete mich neugierig. Er trug einen leuchtend gelben Pullover mit V-Ausschnitt und musterte mich durch seine Hornbrille, die ihm ein eulenhaftes Aussehen verlieh. Fast hätte ich erwartet, er würde gleich mit abgespreiztem kleinen Finger und der Stimme von Dr. Evil zu sprechen beginnen und
eine Million Dollar
für meine Freilassung verlangen.
Aber ich ergriff als Erster das Wort. »Vermutlich werden Sie sich fragen, warum ich Sie heute hier hergerufen habe«, sagte ich.
Schechter reagierte mit seiner Interpretation eines Lächelns. Die Winkel seines Mundes, der fast keine Lippen zu besitzen schien, bogen sich unter dem Zug Dutzender senkrechter Falten zu einem perfekt geformten, umgekehrten Bogen nach unten, wie bei einem Frosch. Sein Lächeln wirkte so, als wäre es für ihn ein hartes Stück Arbeit und etwas, das er nur selten praktizierte.
»Wussten Sie«, sagte er, »dass jeder, der sich des Nachts widerrechtlich mit dem Vorsatz, eine Straftat zu begehen, Einlass in ein Gebäude oder Haus verschafft, mit einer Gefängnisstrafe von bis zu zwanzig Jahren rechnen muss?«
»Wusste ich’s doch, ich hätte Jura studieren sollen.«
»Und dass Sie Ihre Tat wegen des Mitführens einer gefährlichen Waffe sogar lebenslänglich hinter Gitter bringen kann? Es gibt keinen Richter im Zuständigkeitsbereich der Gerichtsbarkeit von Massachusetts, der Ihnen nicht mindestens zehn Jahre aufbrummen würde. Und dann ist da noch die Sache mit ihrer Zulassung als Privatdetektiv. Die ist schon so gut wie aufgehoben.«
»Ich vermute, die Polizei ist schon unterwegs.«
»Ich wüsste nicht, warum wir das nicht von Mann zu Mann und ohne Hilfe der Polizei regeln könnten.«
Ich musste grinsen. Er würde die Polizei nicht rufen. »Ich kann nicht klar denken, wenn mir das Blut in den unteren Extremitäten abgeschnürt wird.«
Am Rand meines Blickfeldes nahm ich eine leichte Bewegung wahr. Da standen ein paar kräftige Ganoven herum. Wahrscheinlich Sicherheitsleute. Oder Personenschützer. Jeder hielt eine Glock in der Hand. Einer war blond, halslos, mit leerem Gesicht und einem Teint, der von Anabolika gezeichnet war.
Den anderen erkannte ich wieder. Er hatte einen schwarzen Bürstenhaarschnitt und einen Körperbau, der sogar noch muskelstrotzender war als bei dem blonden Kerl. Es war einer der beiden Männer, die in mein Loft eingebrochen waren. Über seinem linken Auge befand gleich oberhalb der Braue ein weißes Pflaster. Ein viel größeres war neben sein linkes Ohr geklebt. Ich erinnerte mich, dass ich einen Elektrorasierer in sein Gesicht geschleudert hatte.
Schechter schaute mich ein paar Sekunden lang an, blinzelte dann langsam wie ein alter Leguan und nickte. »Schneidet den Mann los!«
Der Gorilla warf seinem Brötchengeber einen protestierenden Blick zu, holte dann aber ein Cutter-Messer mit gelbemGriff aus einer Tasche seiner Kampfjacke. Er näherte sich mir so langsam, als wäre er ein professioneller Bombenräumer und ich eine scharfe Atombombe.
Stumm und mürrisch durchtrennte er mit dem Messer die Nylonschlaufe, die mein Handgelenk an die rechte Stuhllehne fesselte, derweil mich sein mondgesichtiger Kollege mit wachsamem, ausdruckslosem Blick im Auge behielt und weiterhin seine Pistole auf mich richtete.
Während sich Gorilla an mir zu schaffen machte, kam er ganz dicht an mich heran und murmelte zwischen seinen zusammengebissenen
Weitere Kostenlose Bücher