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Lebendig und begraben

Lebendig und begraben

Titel: Lebendig und begraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Finder Joseph
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war. Ganz und gar nicht. Ich konnte bestenfalls raten. Ich überlegte, ob ich die Operation abbrechen sollte.
    Aber ich war schon zu weit gekommen, um jetzt noch umzukehren.

69. KAPITEL
    Also suchte ich ein paar Gegenstände in den Büros von Batten Schechter zusammen. Auf der Ablage hinter dem Schreibtisch von Schechters Sekretärin waren einige Fotografien aufgereiht. Ich schob die rechteckige Glasscheibe aus dem gerahmten Bild eines quietschvergnügt aussehenden kleinen Mädchens, das auf den Knien eines Einkaufscenter-Weihnachtsmannes saß.
    In einem Lagerraum fand ich in den Regalen für Pack- und Versandmaterial einen Karton mit Styroportafeln, wie sie zum Auskleiden von Kartons oder zum Schutz gerollter Dokumente verwendet werden, und eine Rolle Klebeband.
    Zurück in Schechters Büro ließ ich den Leverlock flach zwischen dem Teppich und den Doppeltüren hindurchgleiten und hatte sie in zehn Sekunden geöffnet.
    Nun kam der komplizierte Teil.
    Mit dem Styroporblock, den ich vor mich hielt wie einSchild, bewegte ich mich auf den Bewegungsmelder zu. Langsam schritt ich durch das unheimliche Dämmerlicht des Innenraumes, den die Lichter der Stadt und die Sterne nur schwach erleuchteten. Wenn ich mich richtig erinnerte, sollte das Styropor meine Wärmeabstrahlung soweit eindämmen, dass sie nicht gemessen werden konnte.
    Es dauerte nervtötend lange, bis ich die Wand erreicht hatte, an der der Sensor montiert war. Das Styroporstück befand sich jetzt nur noch wenige Zentimeter von der Sensorlinse entfernt. Zu nahe durfte ich auch nicht kommen. Wenn die Linse völlig blockiert war, würde ebenfalls Alarm ausgelöst werden.
    Das Gerät hatte wie die meisten modernen Infrarotsensoren einen Konstruktionsfehler. Es war mit einer sogenannten Kriechzonenerfassung ausgestattet. Falls jemand versuchen sollte, auf dem Boden unter dem Gerät hindurchzuschlüpfen, würde es sofort Alarm geben.
    Aber was darüber geschah, konnte es nicht erkennen.
    Geschützt von meinem Styroporschild nahm ich die kleine Glasscheibe von meinem Gürtel, die mit Klebeband daran befestigt war, hob sie vorsichtig höher und platzierte sie dann vor der Sensorlinse. Mit einem Streifen Packband konnte ich sie sicher fixieren.
    Dann ließ ich die Styroporplatte auf den Boden fallen. Das rote Licht leuchtete weiterhin ununterbrochen. Ich hatte keinen Alarm ausgelöst.
    Langsam atmete ich aus.
    Infrarotstrahlung kann Glas nicht durchdringen. Der Sensor konnte also nicht hindurchschauen, erkannte die Glasscheibe aber auch nicht als Hindernis.
    Ich schaltete das Raumlicht an. Zwei Wände waren mit Mahagoni getäfelt, die anderen beiden fast vollständig verglast. Sie boten einen atemberaubenden Blick über Boston.Man sah die Back Bay, das Charles, Bunker Hill und den Hafen. Die Lichter glitzerten, als wäre ein Sternenbaldachin auf die Erde gefallen. Wer jeden Tag von seinem Büro aus so einen Blick genoss, konnte wirklich auf die Idee kommen, er regiere das Land, das sich unter ihm erstreckte.
    Schechters Schreibtisch war eine kleine, fein gearbeitete Antiquität aus honigfarbenem Mahagoni mit geprägter, flaschengrüner Lederauflage und gedrechselten Beinen. Bis auf ein Telefon stand nichts darauf.
    Es gab einmal Zeiten, da war ein Schreibtisch um so größer, je mehr Macht ein Manager hatte. Es gab Geschäftsführer, deren Schreibtische so groß wie Lastkähne waren. Heutzutage wird die Arbeitsfläche immer kleiner und zerbrechlicher, je wichtiger jemand ist. Als müsste man der Welt zeigen, dass man seine Macht ausschließlich durch Denken ausübte. Papierkram war etwas für Tagelöhner. Nirgendwo war ein Computer zu sehen. Dass jemand in der heutigen Zeit ohne einen Computer Geschäfte machen konnte, machte mich ganz sprachlos. Es war zweifellos gut, der König zu sein.
    Überall standen unbezahlbar aussehende Antiquitäten herum: filigrane Regency-Stühle, dunkle Spiegel, Papierkörbe aus Pergament, Anrichten und Säulentische. Auf dem Boden lag ein fein geknüpfter antiker Seidenteppich in blassem Olivgrün mit Ornamenten in gedämpften Gelb- und Rottönen, bei dessen Anblick Mr. Derderian mit Sicherheit hingerissen auf die Knie gesunken wäre.
    Ich kannte Vorstandsvorsitzende von Banken, die gefeuert wurden, weil sie sich die Ausstattung ihrer Büros vergleichbare Summen hatten kosten lassen. Eines hatten sie vergessen: Wer sich ausstaffiert wie ein französischer Aristokrat des achtzehnten Jahrhunderts, der wird vermutlich auch so sterben.

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