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Lebendig und begraben

Lebendig und begraben

Titel: Lebendig und begraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Finder Joseph
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zerzaustem Haar vor einer schmuddeligen weißen Gipswand saß. Über seinem Mund klebte ein breiter Klebestreifen.
    Sein schwarzes Samtjackett trug er nicht mehr. Stattdessen hatte ihn Darryl in eine Zwangsjacke gesteckt, die er sich aus dem Hospital in Fort Dix geliehen hatte, wo man sie für den Transport und die Sicherung gewalttätiger Gefangener nutzte. Es war eine Zwangsjacke von Posey in gebrochenem Weiß aus schwerem Leinen mit langen Ärmeln, die sich vorn kreuzten und im Rücken festgeschnallt wurden.
    Die Posey war strenggenommen gar nicht nötig … Darryl hätte ihn wahrscheinlich auch mit Textilband an den Stuhl binden können, aber sie war sehr effektiv. Noch entscheidender war, dass sie auch bei Roman Nawrozow ihre Wirkung nicht verfehlte. In der schlechten alten Zeit wurden Zwangsjacken in sowjetischen psychiatrischen Gefängnissen bei politischen Dissidenten verwendet.
    Ich wusste, dass der Anblick Nawrozows Herz erweichen würde, auch wenn es aus Granit sein mochte. Sein Sohn kauerte auf dem Bett. Man sah eine Ecke der Tagesdecke neben ihm. Sie hatte einen scheußlichen Orangeton.
    Dann sah man den Lauf einer Waffe mit einem langen, aufgeschraubten Schalldämpfer, die ins Bild geschobenwurde und die Schläfe des Jungen berührte. Er verdrehte hektisch die Augen, versuchte zu schreien, aber außer einem hohen, unterdrückten Krächzen kam nichts dabei heraus.
    Sein Vater blickte auf den Bildschirm und sah dann wieder weg, als ob irgendjemand versuchte, ihm einen Youtube-Clip zu zeigen, der überhaupt nicht komisch war.
    Dann seufzte er. »Was wollen Sie?«, fragte er.

76. KAPITEL
    »Ganz einfach«, erwiderte ich. »Ich will, dass Alexa Marcus auf der Stelle freigelassen wird.«
    Nawrozow atmete ein paar Mal leise ein und wieder aus. Seine Augen waren hart geworden.
    Ein paar Minuten zuvor hatte er mich mit so etwas Ähnlichem wie aufkeimender Bewunderung betrachtet. Aber jetzt erkannte er die Bedrohung in mir. Ich sah, wie in ihm der Raubtierinstinkt erwachte. Er schaute mich so an, wie ein Wolf seine Beute fixiert und mit Blicken durchbohrt. Sein Körper wurde ganz reglos.
    »Sollte ich den Namen kennen?«
    Ich seufzte enttäuscht. »Wir haben beide keine Zeit für solche Spielchen.«
    Er lächelte schwach und entblößte kurz eine Reihe langer, scharfer Zähne.
    »Wo ist sie? Ich will die genauen Koordinaten.«
    »Wenn ich einen Mann für irgendetwas bezahle, schaue ich ihm nicht über die Schulter.«
    »Das kann ich nur schwer glauben. Ich wette, dass jemand wie Sie genau weiß, wo sie ist und was man ihr antut.«
    »Die wissen nicht, wer ich bin, und ich weiß nicht, wer die sind. Auf diese Weise ist das alles viel sicherer.«
    »Und wie kommunizieren Sie mit denen?«
    »Über einen Unterhändler. Mittelsmann sagt man hier, glaube ich, oder?«
    »Aber Sie müssen doch eine Ahnung haben, wo sie sind.«
    Er zuckte mit den Schultern. »In New Hampshire, glaube ich. Das ist alles, was ich weiß.«
    »Und wo ist Ihr Mittelsmann? Sagen Sie mir nicht, dass Sie das auch nicht wissen.«
    »In Maine.«
    »Und wie erreichen Sie ihn?«
    Als Antwort zog er sein Handy aus der Tasche. Schwenkte es vor mir. Steckte es wieder in seine Tasche.
    »Rufen Sie ihn bitte an und sagen Sie ihm, dass die Sache abgeblasen ist.«
    Er blähte die Nasenflügel und presste die Lippen aufeinander. Es ärgerte ihn, dass jemand so mit ihm sprach. Daran war er nicht gewöhnt.
    »Dafür ist es bereits viel zu spät«, sagte er.
    »Sagen Sie Ihren Gorillas, sie sollen die Tür schließen«, verlangte ich. »Sagen Sie ihnen, Sie wollen ungestört sein.«
    Er blinzelte und bewegte sich keinen Zentimeter.
    »Sofort«
, forderte ich.
    Vielleicht konnte er es mir an den Augen ansehen. Aber was auch immer der Grund sein mochte, er warf mir einen mürrischen Blick zu und stand aus seinem Stuhl auf. Dann ging er zur Tür und sagte schnell und leise etwas auf Russisch. Danach klappte er die Sicherheitssperre weg und ließ die Tür ins Schloss fallen. Er kehrte zu seinem Stuhl zurück.
    »Brechen Sie die Operation ab«, sagte ich.
    Er lächelte. »Sie vergeuden meine Zeit«, sagte er.
    Ich tippte wieder ein paar Tasten auf dem Laptop, woraufhin sich das Videobild zu bewegen begann. Mit einemweiteren Tastendruck schaltete ich das eingebaute Computermikrofon an und sagte: »Schieß.«
     
    Nawrozow schaute mich an und blinzelte. Seine Braue zuckte leicht nach oben, und er wagte ein zaghaftes Lächeln.
    Er glaubte mir nicht.
    Auf dem

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