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Lebendig und begraben

Lebendig und begraben

Titel: Lebendig und begraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Finder Joseph
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Transnacional de Panamá gekauft. Und seinen Börsenmakler. Das war genial.«
    Ich wartete ein paar Sekunden.
    Strategische Täuschung ist eine knifflige Sache und nie so leicht, wie es aussieht. Im Krieg und im Spionagegeschäft ist sie wirklich nichts weiter als eine Art angewandter Psychologie. Der Trick dabei ist, seine Zielperson niemals wirklich zu täuschen, sondern sie dazu zu bringen, sich selbst zu täuschen. Man bestärkt sie nur in der Überzeugung, die sie sowieso schon hat.
    Roman Nawrozow lebte in einer Welt von Paranoia und Misstrauen. Deshalb war er schon ganz automatisch geneigt gewesen zu glauben, dass ich tatsächlich einen Scharfschützen in einem leeren Büro auf der anderen Straßenseite hatte und nicht nur einen ferngesteuerten Lichtschalter, den ich über eine einzige, vorprogrammierte Taste meines Handys ein- und ausschalten konnte. George Devlin, wer sonst, hatte das für mich entworfen und von einem Kollegen in New York einrichten lassen: Diese Art von Technik ging weit über meine Fähigkeiten hinaus.
    Außerdem hatte er keinen Grund daran zu zweifeln, dass ich tatsächlich Leute in den angrenzenden Räumen hatte. Warum auch nicht? Er würde es genauso machen.
    Das Gleiche galt für das inszenierte Video, das Darryl zuvor mithilfe eines Kumpels aufgezeichnet hatte, der bereit gewesen war, sich eine Zwangsjacke anzuziehen, die er mit einem Knallfrosch und einem blutgefüllten Kondom verdrahtet hatte. Einem Kumpel, der Darryls Versicherung glaubte, dass die H&K tatsächlich nur mit Platzpatronen anstatt mit echter Munition geladen war.
    Roman Nawrozow hielt alles für echt. Schließlich hatte er den Ehegatten und Kindern seiner Gegenspieler schon weitaus Schlimmeres angetan. Solche Grausamkeit war ihm nicht fremd.
    Was ich allerdings gerade machte, ihm Informationen zu entlocken, indem ich vorgab, noch mehr zu wissen, als es der Wahrheit entsprach, war ein viel riskanteres Spiel. Denn mir konnte jederzeit etwas herausrutschen, an dem er merkte, dass ich schlicht und einfach log.
    Ein paar Sekunden lang beobachtete er mich durch seinen Zigarettendunst. Ich bemerkte die feine Veränderung in seinen Augen, wie seine Gesichtszüge weicher wurden und sich seine Muskeln entspannten.
    »Nun«, sagte er, und da war es endlich: das stolze Lächeln, das ich zu provozieren erhofft hatte.
    Auf eine gewisse, verquere Art war es ja auch tatsächlich irgendwie genial gewesen.
    Wenn es irgendwo einen Hedgefond gibt, den man plündern will, dann muss man nichts weiter tun, als die Bank zu kaufen, die das Portfolio verwaltet. Den meisten normalen Hedgefonds würde so etwas natürlich nicht passieren, weil sie mit den großen US-amerikanischen Investmentbanken zusammenarbeiten. Aber
Marcus Capital
war kein normaler Hedgefond.
    »Erzählen Sie mir mal«, sagte ich, »warum Sie dann Marshalls Tochter entführen mussten?«
    »Es war eine Rettungsoperation. Ein Akt der Verzweiflung, weil der ursprüngliche Plan überhaupt nicht funktionierte.«
    »Und der ursprüngliche Plan …?«
    Er nahm wieder einen tiefen Zug seiner Zigarette und blies den Rauch noch langsamer aus als zuvor. Dann verstummte er.
    »Sie wollten die Mercury-Akten«, sagte ich.
    »Ganz genau.«
    Das ergab einen Sinn. Roman Nawrozow war Geschäftsmann, und gewisse Geschäftsleute in den Spitzenpositionen handelten mit den wertvollsten Gütern. Und was für Güter waren wohl seltener als die tiefsten und dunkelsten Geheimdienstinformationen der einzigen verbliebenen Supermacht der Welt?
    »Sie hatten also vor, die Akten über die schwarzen Kassen an die russische Regierung zu verkaufen?«
    »Schwarze Kassen?«
    »Vielleicht ist Ihnen dieser Begriff nicht so geläufig.«
    »Ich bitte Sie. Ich weiß genau, was schwarze Kassen sind. Aber glauben Sie wirklich, dass die Mercury-Akten etwas mitAmerikas geheimem Militärbudget zu tun haben? Ich bin ein Geschäftsmann. Ich handle nicht mit Informationen.«
    »Sie enthalten die Details unserer geheimsten Geheimdienstoperationen.«
    Er sah mich überrascht an. »Ist es das, was man Ihnen erzählt hat? Wollen Sie mir vielleicht als Nächstes weismachen, dass sie auch noch an den Weihnachtsmann und den Klapperstorch glauben?«
    Dann klingelte sein Handy und gab dabei diesen lästigen Nokia-Standard-Klingelton von sich, den man immer und überall hörte.
    Nawrozow schielte auf das Display. »Der Mittelsmann«, sagte er.
    Mein Herzschlag beschleunigte sich.

78. KAPITEL
    Kirill Alexandrowitsch Chuzhoi fuhr

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