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Lebendig und begraben

Lebendig und begraben

Titel: Lebendig und begraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Finder Joseph
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ihr schon wieder der Hals weh. Dann erinnerte sie sich daran, wo sie war, und fing wieder an, unkontrolliert zu zittern. Sie fröstelte, und ihr ganzer Körper erschauerte. Auf die gleiche Weise, wie schon der Gedanke an Styropor, das an Pappe gerieben wurde, ihre Zähne in Aufruhr versetzte.
    Die körperliche Reaktion war indessen nichts verglichen mit der tiefen Furcht, die sie nun überkam. Die schwarze, kalte Wolke von Furcht, die sie im Laufe dieses Alptraums wieder und wieder heimgesucht hatte. Als ihr klar wurde, dass es etwas Schlimmeres als den Tod gab.
    Sie schrie so lange und laut, bis sie nur noch ein hoffnungsloses Schluchzen herausbekam. Sie spürte, wie die Tränen auf ihren Wangen brannten.
    Sie schrie und kratzte an den Innennähten ihres Sarges. Mit den Fingerspitzen ertastete sie einen harten, quadratischen Gegenstand, der an dem Deckel befestigt war; sie wusste, dass es sich dabei um die Videokamera handeln musste.
    Sie konnte die winzige Linse spüren und legte ihren Daumen drauf.
    Sie ließ ihn dort eine Weile.
    Jetzt konnte er sie nicht mehr sehen.
    Es lag in ihrer Macht, die Eule blind zu machen.
    Sie ließ ihren Daumen auf der Linse, bis ihre Hand zu zittern begann.
    Dann blökte die Stimme der Eule durch den Lautsprecher. »Falls du mir einen Streich spielen willst, Alexa, ist das keine besonders gute Idee.«
    Sie antwortete nicht. Warum sollte sie auch?
Sie brauchte ihm nicht zu antworten.
    Dann kam ihr eine Idee, die so großartig war, dass ihr Herz vor Aufregung statt aus Angst heftiger zu schlagen begann.
    Sie konnte die verdammte Kamera aus ihrer Befestigung reißen.
    Sie könnte die Eule ein für alle Mal blind machen
.
    Ohne seine Kamera hatte er keine Macht über sie!
    Sie griff an das Kameragehäuse und fing an zu ruckeln. Wackelte es hin und her, so wie man sich einen losen Zahn aus dem Kiefer zu entfernen versucht.
    Die Videokamera spielte bei dieser ganzen Geschichte eine zentrale Rolle. Er brauchte sie für seine Forderungen, die Kamera half ihm, sie, Alexa, zu benutzen; er erteilte ihr Anweisungen und ließ sie über Video diese bizarren Forderungen vortragen, damit ihr Vater völlig ausflippte.
    Deshalb würde sie das Ding loswerden.
    Um seinen Zugriff auf sie zu beenden, seine Überwachung abzuschalten. Sie würde seinen Plan durchkreuzen, und er konnte nichts dagegen tun.
    Ohne Video würde der Plan der Eule nicht aufgehen. Keine Kamera, kein Lösegeld.
    Wenn sie die Kamera herausriss, würde er die Nerven verlieren. Er wäre gezwungen, zu improvisieren.
    Er würde sie ausgraben müssen.
    Er würde diese verdammte Kamera reparieren müssen, denn sie war der Schlüssel zu der ganzen Geschichte.
    Warum zum Teufel hatte sie nur so lange gebraucht, bis sie darauf kam?
    Sie fühlte leichtes Wohlbehagen in sich aufsteigen. Ihr Vater würde jetzt stolz auf sie sein, oder etwa nicht? Staunen würde er, wie gewitzt sie war und wie einfallsreich. Er würde sagen: »Meine Lexie, du hast den
saichel,
du bist ein echter Marcus.«
    Sie griff so fest nach dem kleinen Metallkasten, dass ihr ganzer Arm zitterte. Sie ruckelte, sie drehte, und schließlich spürte sie, wie etwas nachzugeben begann. Irgendetwas Kleines fiel ihr aufs Gesicht. Sie konnte es mit ihrer linken Hand ertasten. Es war eine kleine Metallschraube. Die musste zur Befestigung gehören.
    Sie tat es. Sie riss der Eule die Augen aus.
    Sie musste lächeln, war wie trunken vor Genugtuung, als sie spürte, wie die Kamera allmählich ganz leicht zu wackeln begann.
    Wieder blaffte es aus dem Lautsprecher: »Noch eine schlechte Idee.«
    Sie antwortete nicht.
    Selbstverständlich
wollte er nicht, dass sie das verdammte Ding herausriss.
Selbstverständlich
hatte er etwas dagegen.
    »Weißt du, Alexa, du kannst nur über mich mit der Welt kommunizieren«, sagte die Stimme. Sie klang nicht ärgerlich, sondern geduldig.
    Sie biss die Zähne zusammen und ruckelte weiter. Ihre Hand zitterte vor Erschöpfung. Die scharfen Kanten des Metalls schnitten in ihre Handflächen.
    »Wenn du die Kamera unbrauchbar machst«, sagte die Eule, »bist du vom Rest der Welt abgeschnitten.«
    Für einen Moment hörte sie mit dem Ruckeln auf.
    »Sie werden denken, du wärest gestorben«, sagte die Stimme. »Warum sonst sollte die Videoübertragung aufhören, nicht wahr?«
    Direkt über ihrem Gesicht erstarrte ihre Hand mitten in der Bewegung. Wenn sie nur noch ein paar Minuten so weitermachte, könnte sie die anderen Schrauben abreißen oder den Bolzen oder

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