Lebendig und begraben
der Straße standen. Von der Straße gingen ein paar nicht weiter bezeichnete Ausfahrten ab, schmale Wege, die in den Wald hineinführten, meistens Feldwege, die wenigsten asphaltiert. Die einzigen Wegmarken waren freistehende Hausbriefkästen, zumeist ziemlich groß und mit aufgepinselten Namen, manchmal auch mit Klebebuchstaben versehen.
Nach drei Meilen auf einer baumgesäumten, engen Straße erreichte ich eine Straßensperre. Sie war kurzfristig aufgestelltworden und bestand lediglich aus ein paar Holzböcken, an deren Längsseiten runde rote Reflektoren angebracht waren. Das war die Goddard Road. Die Alderson-Farm lag zwei Meilen die Straße hinunter.
Falls ich richtig vermutete, war das auch der Ort, wo Alexa Marcus in der Erde vergraben war.
Und wo ich Dragomir Schukow finden konnte.
Ich fuhr mit dem Wagen bis dicht an die Absperrung und schaltete das Fernlicht an. Die Straße bestand aus aufgewühltem, dicken Matsch. Die zwei Meilen zu Fuß zu gehen hätte nervtötend lange gedauert. Dafür hatte ich keine Zeit.
Ich stieg aus, räumte einen der Böcke aus dem Weg, stieg wieder in den Defender und fuhr weiter.
Es war, als würde ich durch einen Sumpf fahren. Die Räder versanken tief im Dreck und spritzten Wasserschleier in die Luft. Ich blieb im dritten Gang und fuhr in einem gleichmäßigen Tempo. Nicht zu schnell und nicht zu langsam. Wenn man durch Schlamm fährt, sollte man keinen zu niedrigen Gang einlegen. Und man sollte auch nicht zu langsam fahren, weil man sonst riskiert, dass über das Auspuffrohr Wasser eindringt und den Motor flutet.
Nach und nach verwandelte sich die Straße in eine schmale, dunkle Schneise, deren Ränder von hohen Kiefern gesäumt wurden. Das einzige Licht stammte von meinen Frontscheinwerfern, deren Schein über das undurchdringliche Grün huschte.
Der Wagen agierte jedoch wie ein Amphibienfahrzeug, und es dauerte nicht lange, bis ich die Hälfte der Strecke geschafft hatte.
Aber dann versanken die Räder ein paar Zentimeter tiefer, und ich saß schließlich doch noch fest.
Eine Meile bis zum Ziel.
Ich kam gar nicht erst auf die Idee, kräftig das Gaspedaldurchzutreten. Stattdessen nahm ich den Fuß herunter und versuchte, wohldosiert Gas zu geben.
Doch ich saß immer noch fest.
Dann legte ich kurz und kräftig nach. Einmal kurz aufs Gas treten, den Wagen zurückrollen lassen, ihn wieder nach vorn rollen lassen und so weiter. Nach ein paar Minuten Schaukeln kletterte das Fahrzeug aus dem Graben und pflügte sich weiter durch die braune Suppe.
Dann erfassten meine Scheinwerfer einen verrosteten Metall-Briefkasten, auf dem ALDERSON stand.
Falls es in der Nähe eine Farm geben sollte, lag sie zu weit von der Straße entfernt, um sie zu erkennen. Ein weggezogener Besitzer, ein frisch eingetroffener Verwalter, Gerätschaften für Erdarbeiten: Ob wohl auch ein Bagger dabei war?
Bis jetzt war alles reine Spekulation.
Aber andere Möglichkeiten hatte ich nicht.
93. KAPITEL
Die Straße zum Alderson-Besitz war der Hauptzugang zum Gelände. Falls dies tatsächlich der richtige Ort war, hatte ihn Schukow wahrscheinlich mit Überwachungstechnik abgesichert. Kameras, Infrarotstrahler, irgendeine Art Frühwarnsystem.
Andererseits war es aber auch nicht leicht, solche Geräte im Freien aufzubauen und effektiv einzusetzen. Jedenfalls nicht, ohne es von langer Hand vorzubereiten.
Aber es war wohl sicherer, davon auszugehen, dass der Zugangsweg überwacht wurde.
Also fuhr ich weiter geradeaus, an der Einfahrt vorbei, und pflügte noch ungefähr eine halbe Meile durch den Strom von Schlamm, bis ich abrupt anhielt. Dann fuhr ich diesteile Böschung hoch und so tief in den Wald hinein, wie ich konnte.
Der Karte zufolge, die mir Dorothy auf mein Handy geschickt hatte, war ich jetzt am äußersten Ende des Besitzes. Zur Farm gehörten gut 80 Hektar Land, eine halbe Meile asphaltierter Straße und eine Meile Feldweg auf der Route, auf der ich mich gerade befand.
Das Haus war eine gute Viertelmeile von meinem momentanen Standort entfernt. Aufgrund der örtlichen Gegebenheiten konnte man vom Haus aus die Straße nicht sehen.
Der Eigentümer hatte es Jägern jahrelang gestattet, sein Land zu durchstreifen, wie Dorothy online in den staatlichen Jagdregistern ermittelt hatte.
In New Hampshire war das nichts Ungewöhnliches. Man durfte auf öffentlichem und sogar auf privatem Besitz jagen, solange er nicht anderslautend ausgeschildert war, mit anderen Worten, solange der
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