Lebendig und begraben
Anfang zwanzig zu sein. Er war blond, hatte ein gerötetes Gesicht und einen Überbiss. Spanisch sah er jedenfalls nicht aus. Alexa lächelte, aber Taylor würdigte ihn keines Blickes.
Nach ein paar Sekunden verschwand er. Irgendwie tat er mir fast leid.
Die Mädchen redeten weiter und lachten, und ich vermutete, dass sie sich über den blonden Jungen lustig machten.
»Das können sie schneller abspielen«, sagte ich.
Leo klickte auf dreifache Geschwindigkeit, die Bilder wurden schneller, zeigten hastige, ruckartige Bewegungen, wie in alten Stummfilmen. Lachen, trinken, lachen, trinken, lächeln. Alexa nahm etwas aus der Tasche und hielt es hoch. Ein Telefon? Dann bemerkte ich, dass es ein iPhone war. Wahrscheinlich machte sie ein Foto.
Nein. Sie hielt es an den Mund. Taylor lachte. Sie spielten herum. Dann nahm Taylor das Handy und hielt es sich an den Mund. Die beiden Mädchen lachten. Taylor gab Alexa das Telefon zurück, und sie schob es in eine Außentasche ihrer Lederjacke. Das merkte ich mir.
Dann näherte sich ein anderer Mann. Der war dunkelhaarig, wirkte irgendwie mediterran, vielleicht ein Italiener oder Spanier. Diesmal lächelten beide Mädchen. Ihre Körpersprache war offen; sie sahen ihn an und lächelten. Sie wirkten eindeutig aufgeschlossener als bei dem jungen Mann davor. Diese Seite an Taylor hatte ich noch nicht erlebt, keine mürrische Schmollmiene, sondern lebhaftes Interesse.
»Gibt es davon noch eine andere Kameraeinstellung?«, erkundigte ich mich.
Leo öffnete ein anderes Fenster auf seinem Monitor, und dann sah ich das Profil des Mannes. Leo fuhr dichter heran.
Er hatte spanische oder portugiesische Züge. Vielleicht auch südamerikanische. Auf jeden Fall war es ein gut aussehender Bursche. Er schien Anfang bis Mitte dreißig zu sein und war sehr gepflegt und teuer gekleidet.
Er zog einen Sessel heran und setzte sich, offenbar nachdem die Mädchen ihn eingeladen hatten. Dann winkte er nach einer Kellnerin.
»Dieser Mann da, der kommt oft hierher«, erklärte Naji.
Ich drehte mich zu ihm herum. »Ach ja?«
»Ich kenne ihn. Mit der Zeit lernt man die Gesichter der Stammkunden kennen.«
»Wie heißt er?«
Der Sicherheitschef schüttelte den Kopf. »Das weiß ich nicht.«
Er hielt etwas zurück.
Ich drehte mich wieder zum Monitor herum. Der Mann und die beiden Mädchen redeten miteinander und amüsierten sich. Die Kellnerin kam und nahm ihre Bestellungen auf. Dann unterhielten sie sich weiter und lachten. Ganz offensichtlich genossen die Mädchen seine Gesellschaft.
Der Mann saß direkt neben Taylor, schien jedoch nicht sonderlich auf sie zu achten. Er war erheblich mehr an Alexa interessiert. Er beugte sich zu ihr hinüber, plauderte mit ihr und würdigte Taylor kaum eines Blickes.
Das fand ich interessant. Denn Taylor war mindestens so hübsch wie Alexa, auch wenn sie etwas schlampiger wirkte; Alexa sah neben ihr eleganter aus, unschuldiger.
Aber Alexas Vater war Milliardär.
Aber wie hätte er das wissen sollen, es sei denn, er hätte sich sein Ziel bereits im Voraus ausgesucht?
Die Drinks wurden in großen Martinigläsern serviert.
Sie tranken etwas, und nach einer Weile standen die beiden Mädchen auf. Der Mann blieb am Tisch sitzen und sah sich gelangweilt in der Bar um.
»Können wir den Mädchen folgen?«, fragte ich.
Leo aktivierte ein bereits geöffnetes Fenster und vergrößerte es. Die Mädchen gingen nebeneinander her und hielten sich aneinander fest, als hätten sie bereits einen kleinen Schwips.
»Bleiben Sie bei ihnen«, bat ich Leo.
Der vergrößerte das Fenster auf dem Computerbildschirmnoch mehr. Ich sah zu, wie sie in der Damentoilette verschwanden.
»In den Toiletten gibt es keine Kameras?«, erkundigte ich mich.
Naji lächelte. »Das wäre illegal, Sir.«
»Ich weiß. Aber ich wollte zumindest gefragt haben.«
In dem Moment bemerkte ich aus den Augenwinkeln etwas auf dem anderen Computerbildschirm. Es war mit der Kamera aufgenommen, die den lateinamerikanischen Typen allein am Tisch zeigte.
Er machte etwas.
Mit einer schnellen Bewegung hatte er die Hand ausgestreckt und Alexas halb gefülltes Martiniglas über den Tisch zu sich gezogen.
»Was zum Teufel soll das?«, sagte ich. »Könnten Sie dieses Fenster vergrößern?«
Sobald Leo das gemacht hatte, konnten wir alles sehen, was der Mann tat. Er griff mit seiner rechten Hand in seine Jacke, sah sich um, zog dann die Hand wieder heraus und ließ beiläufig etwas in Alexas Martiniglas
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