Lebendig und begraben
jemandem erzählt, woran wir arbeiten?«
»Natürlich nicht. Wir haben über IP-Verfolgung und Algorithmengesprochen. Digitale Strafverfolgung. Damit werden wir das Mädchen nie finden.«
»Sie haben einiges auf die Beine gestellt, nur um Marcus eine Lösegeldforderung zu schicken«, sagte ich.
»Meinen Sie, unser Typ ist immer noch in dem Apartment, oder glauben Sie, er hat sich aus dem Staub gemacht, nachdem ihn Taylor gewarnt hat?«
»Ich bin mir nicht sicher. Wenn überhaupt, dann war er nur der Kurier, hat Alexa einfach nur eingesammelt und an jemand anderen übergeben. Er hätte sie nicht bis nach Leominster gefahren und dann wieder hierher zurückgebracht.«
»Vielleicht hat er ihr Handy dort weggeworfen, um eine falsche Spur zu legen. Damit die Leute denken, sie sei irgendwo da draußen anstatt noch in der Nähe von Boston.«
»Das ist zu kompliziert. Es wäre viel schlauer gewesen, einfach ihr Telefon zu zerstören und überhaupt keine Spuren zu hinterlassen. Außerdem fuhr er in einem gestohlenen Auto. Es hätte das Risiko nicht gelohnt, am Ende wegen eines defekten Rücklichts oder mit einer abgelaufenen Zulassung erwischt zu werden. Es hätte auch passieren können, dass ein paar übereifrige Ortspolizisten das Nummernschild überprüfen.«
»Was ist, wenn er nicht da ist?«
»Dann werde ich mir sein Apartment vornehmen und schauen, ob ich irgendetwas finde, das mich zu Alexa führt. Rechnungen, Skizzen auf Papier, Computerdateien … alles.«
»Und wenn er da ist? Vergessen Sie nicht … ganz gleich, ob er nun ein reicher Junge ist oder nicht, er ist ein Dealer. Er wird bewaffnet sein. Versuchen Sie bitte, sich nicht vor unserem Termin um zehn Uhr umbringen zu lassen.«
»Termin um zehn?«
»Der Gouverneur? Hallo? Sie wollten mich dabei haben,falls es irgendwelche technischen Fragen gibt, auf die Sie nicht antworten können, weil Sie mehr für das ›große Ganze‹ zuständig sind?«
Dorothy sprach von einem lange geplanten Treffen mit dem ehemaligen Gouverneur eines großen Bundesstaates, der wegen eines Schmiergeldskandals zum Rücktritt gezwungen worden war. Jeder Insider wusste, dass man ihn übel hereingelegt hatte.
»Bitten Sie Jillian, den Termin abzusagen«, antwortete ich.
»Den Termin
absagen
?«, fragte sie ungläubig. »Diese Anwälte sind für das Meeting extra aus New York eingeflogen. Sie können das nicht einfach absagen.«
»Als ich zum letzten Mal nachgesehen habe, war ich immer noch der Boss. Sagen Sie Jillian, dass sie es absagen soll. Und bitten Sie sie, meine Termine für den Rest der Woche zu streichen. Alles. Bevor ich dieses Mädchen nicht nach Hause gebracht habe, mache ich nichts anderes mehr.«
»Den Rest der Woche?«, fragte Dorothy. »Wenn Sie glauben, Sie könnten das in ein paar Tagen erledigen, dann haben Sie wirklich zu heiß gebadet. Aber egal …«
»Wir reden später weiter«, unterbrach ich sie, löste den Sicherheitsgurt und stieg aus dem Wagen. Ich ging ein wenig umher und trat dann an die Längsseite des Mietshauses, in dem Mauricio Perreira lebte.
Drogenhändler neigen dazu, unter permanenten Verfolgungswahn zu leiden. Perreira hatte wahrscheinlich eine Schusswaffe in der Nähe seines Bettes. Nicht unter dem Kopfkissen, das ist zu unbequem. Aber unter dem Bett oder hinter dem Kopfteil.
Das einzige erfolgversprechende Vorgehen war, ihn zu überrumpeln.
39. KAPITEL
Wenn es nicht gerade der eigene Beruf ist, liegt eine weite Kluft zwischen dem Wissen, wie man etwas macht, und der praktischen Umsetzung. Einmal hatte ich sogar schon einen Profi vom Schlüsseldienst dafür bezahlt, mir ein paar Unterrichtsstunden zu geben, obwohl ich die Grundlagen bereits als Teenager von einem Mann gelernt hatte, der für Leasingfirmen Autos zurückholte, wenn die Raten zu lange überfällig waren, und in Malden immer in der Autowerkstatt von Normann Lang Motors herumhing.
Ich bewahrte immer ein Werkzeugset im Handschuhfach meines Wagens auf. Dazu gehörte auch eine professionelle Ausrüstung zum Schlösseröffnen mit Dietrichen und Spannern. Aber dieses altmodische Dietrich-Set erfordert eine Menge Fingerspitzengefühl, Zeit und Geduld. Von keinem davon hatte ich im Moment genug. Also schnappte ich mir meinen SouthOrd-Elektropick, ein glattes Werkzeug aus rostfreiem Stahl von der Größe einer elektrischen Zahnbürste, das die Angelegenheit schneller und leichter erledigt, wenn auch mit mehr Geräusch. Aber die Batterien waren leer. Also nahm ich mir die
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