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Lebensabende & Blutbaeder

Lebensabende & Blutbaeder

Titel: Lebensabende & Blutbaeder
Autoren: Manfred Rebhandl
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schwebten bis gestern über dem Schlevsky wie das Schwert des Damokles. Doch jetzt, wo er das Ferrarischiff an Dessau vorbeisteuert, da sieht die Welt schon wieder denkbar freundlicher aus, denn die Lösung seiner Probleme trägt einen Namen:
    Mallinger. Meister der deutschen Sprache in Wort und Schrift. Zwar würde er den lieben Herrn Lehrer aus jeder Orgie ausschließen, weil der buchstäblich ohne Sex ist und er ihm ohne weiteres zutraut, dass er beim schönsten Rudelfick zum Rosenkranzbeten anfängt. Doch für seine Pläne ist er ideal. Denn er wird und muss der Ivana den Grund- und Aufbauwortschatz „Haushalt“ beibringen.
    Also jetzt schon recht entspannt vorbei an Nürnberg (gute Würste! Sehr gute Würste!), bald Ingolstadt, dann Traunstein. Der Verkehr wird nun schon deutlich stärker, jetzt, wo der Morgen graut. Jedoch Gott sei Dank nicht so sehr am Pannenstreifen, auf dem er selbst unterwegs ist, da geht es noch recht flott dahin.
    Ah! Herrlich, dieser Fahrtwind, der ein gutes Stück die eigenen Winde vertreibt. Seit seine süße kleine Jocy-Maus ihm nichts Warmes mehr auf den Mittagstisch stellt, hat er sich nur noch schlecht ernährt. Jetzt rumort es ganz ordentlich in seinem Magen, schlimmer vielleicht sogar als im Magen dieses Bullen da unten in Aussee, dem ständig ein Furz auskommt, wenn er ihm ein Knöllchen verpasst, und der dabei immer röhrt wie ein alter Otto-Motor beim Anlassen in einer kalten Garage.
    Aber ist es nur die Ernährung?
    Ist es nicht doch auch schon der Kuss des Alters, der ihn gar so pfeifen lässt? Zur Sicherheit setzt sich der Schlevsky die Pudelmütze von der Jocy auf, weil ihm der Fahrtwind die zunehmende Kälte ganz gehörig um die Ohren bläst und ein Tiger kein Eisbär ist. Sie hat ihm das Häubchen mit den Quasten noch während ihrer letzten Chemotherapie in der Charite gestrickt, rot-weiß-blau gestreift, in den Farben des HSV.
    Ganz sicher wäre sie jetzt auch zufrieden mit ihm, dass er unter dem Brioni-Beinkleid brav die lange Unterhose trägt. Zwar ist diese das Sahnestück der Peinlichkeiten, wenn man bedenkt, dass er der Puffkaiser ist. Genauso gut könnte er mit einem selbst gestrickten schwarzen Rollkragenpullover samt zerrissenen Jeans und einem Taschenbuch von dem Warmduscher Paulo Coelho in der Hosentasche herumlaufen. Doch der Staat, das ist ohnehin nicht mehr er. Und auf der Deutschen Autobahn, weit weg von seinen Puffs und im Schutze der dunklen Nacht, kann er sich das Volltrottel-Outfit leisten. Da sieht ihn keiner. Da braucht er nicht mehr darzustellen, als er ist.
    Als er endlich die Grenze nach Ösiland überquert und er Deutschland für immer hinter sich lässt, da muss er noch einmal an seine süße kleine Jocy-Maus denken, die ihm so sehr fehlt. Sie führt ihn nicht mehr durchs Leben und zeigt ihm nicht mehr den Weg. Wie ein betrunkener Esel auf zugefrorenem See taumelt er ohne sie dahin. Er kann sie nicht mehr fragen: „Jocylein, wo ist denn jetzt bitte die Abzweigung nach Aussee, ich kann sie nirgends finden?“
    Also breitet er selbst den Baedeker über dem Lenkrad aus und setzt sich die Gleitsichtbrille auf die Nase. Doch sofort bläst ihm der Fahrtwind die Straßenkarte ins Gesicht, wo sie ihm an der Brille kleben bleibt, und er fragt sich: Muss denn wirklich alles schief gehen?
    Über eine Strecke von gut vier Kilometern sieht der Puffkaiser aus dem deutschen Osten dann gar nichts mehr. Schließlich, kurz bevor er sich im Ferrari unter einem 40-Tonner selbst begräbt, kann er sich doch noch von der Straßenkarte befreien.
    Solcherart dem sicheren Tod entronnen – wieder einmal –, erblickt er in der Ferne plötzlich die Berge der Alpen vor sich, beschienen von den ersten Strahlen der morgendlichen Sonne, rot und intensiv.
    „Schön ist das“, denkt sich der Tiger und spürt plötzlich Wärme und Frieden in sich aufsteigen, „herrlich und majestätisch.“

Falscher Zeitpunkt
    Leicht ist er ja nicht aufgekommen, heute in der Früh! Aber Gott sei Dank sind die Tabletten, die der Doktor Krisper für ihn zusammenbaut, heutzutage alles andere als schlecht. Der Biermösel hat ja sowieso großes Vertrauen in alles, was von Berufs wegen in Weiß herumläuft, egal ob in einem Arztkittel oder in einer Küchenschürze. Daher geht es ihm jetzt alles in allem nach dem Katerfrühstück bei der Roswitha und den vier, fünf Kilo Medikamenten wieder relativ, danke. Früher, ohne entsprechende Medikamentierung, hätte so ein ein klein wenig aus dem Ruder
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