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Lebensabende & Blutbaeder

Lebensabende & Blutbaeder

Titel: Lebensabende & Blutbaeder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Rebhandl
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Auge wie die Karotte vor dem Esel. Die Gendarmerieschule oben in Linz werden sie nicht mehr nach ihm benennen, so viel traut er sich heute schon zu prophezeien, da braucht er keine Hellseherin sein. Was nämlich die Aufklärung seiner Fälle anbelangt, hat er statistisch gesehen nur eine magere Bilanz vorzuweisen, eine sehr magere. Drum scheint er in den Ranglisten von der Gendarmerie immer nur dann im oberen Drittel auf, wenn diese alphabetisch geordnet sind.
    Wenn er jetzt auf der Fips nach Goisern hinüberfahrend Bilanz ziehen müsste, dann täte er dafür sicher nicht bis nach Goisern hinüber brauchen.
    Jedoch bleibt ihm für das Bilanzziehen eh wieder keine Zeit, weil — du meine Güte! — da vorne schon wieder ein Sechzehnender im Todeskampf auf der Straße herumliegt, das Geweih komplett verbogen, das linke Auge total zugeschwollen!
    Heilige Maria, die Zeit hat sich der mutmaßliche Rotzlöffel, der das angerichtet hat, natürlich wieder nicht genommen, dass er nicht nur auftischt, sondern auch wegräumt. Immer muss alles schnell, schnell gehen heutzutage. Soll vielleicht er jetzt absteigen und den Fall zu Protokoll bringen, fragt er sich, wie er sich abrupt einbremst auf der Fips und sie auf dem nassen Asphalt schlingernd gerade noch im letzten Moment vor dem Hirsch zum Stillstand bringt. Dafür brennt es ihn eigentlich eine Spur zu sehr unter den Nägeln, als dass er dafür auch noch Zeit hätte, verwirft er den Gedanken sogleich wieder. Soll er also schnell schnell den Sterbenden bis hinter die Ortstafel hinüber schleppen und den Fall dem Grasmuck aufladen, den er sowieso im Zuge seiner Dienstfahrt besuchen will? Dafür schaut der Hirsch dann wieder eine Spur zu schwer aus.
    Herrgottnocheinmal, Hirsche, Rehe, Fasane! Über den Haufen gefahren, über den Haufen geschossen, tranchiert, gerädert, röchelnd im Straßengraben, mitten auf der Straße verendend! Leid tun sie ihm alle nicht! Leid war‘s ihm in seiner ganzen Laufbahn immer nur um die Wildschweinkadaver, die er gerne hinüber zur Roswitha gebracht hätte, damit sie das Fleisch ins Rohr schiebt, um die Wildschweinderl war ihm wirklich leid. Aber um die Hirsche? Was bitte kann denn ein Hirsch, was er nicht könnte?
    Wie er letztlich doch absteigt und sich die Sauerei genauer anschaut, muss er sich wieder so ärgern, dass er sich dauernd mit so einem Blödsinn herumschlagen muss infolge einer komplett misslungenen Berufswahl.
    Dabei hat er am Anfang in der Gendarmerieschule fast Lunte gerochen, wie sie seinen Jahrgang zum ersten Mal auf den Schießplatz hinausgejagt haben. Da hat er sich noch vorstellen können, dass Gendarm sein vielleicht sogar einen Sinn haben könnte. Gedungene Mörder zur Strecke bringen; marodierende Banden zerschlagen; Wilderer im Wald über den Haufen schießen und Haschbrüder in ihren Opiumhöhlen ausräuchern – herrlich! Zwar hätte auch diese Aufgabe vom Sinngehalt her nicht an die Bierfahrerei herangereicht, das nicht. Aber wenigstens kann ich herumschießen, hat er sich gedacht.
    Stattdessen hat ihn Aussee mit dem eisigen Handschlag der Wirklichkeit begrüßt (wie früher der Gromyko den Kalten Krieg). In der Folge hat er sich seine ganze Karriere lang mit Unterhosen- und BH-Diebinnen namens Gachblonde Discowirtin herumschlagen müssen. Zechpreller vom Schlage eines Fleischermeisters Brunner und Tischlermeisters Rodriguez waren sein tägliches Brot! Und immer wieder feine Damen der Gesellschaft, die geglaubt haben, die Monatsblutung alleine als Ausrede erspart ihnen den Gang ins Gefängnis, nachdem sie den Ehegatten mit dem Fleischschlögel zur Räson gebracht haben, nicht selten für immer.
    Und jetzt halt wieder ein Hirsch im Todeskampf, der ihn mit seinem verbogenen Geweih aus seinen verschwollenen Augen heraus anschaut, wie wenn er ihn um den Notarzt schicken möchte.
    Was täte der Alte machen?, fragt sich der Biermösel jetzt in der Stille des Waldes vor dem Hirsch stehend.
    Der alte Biermösel hätte sicher eine Lösung parat. Der hätte auch in der Handtaschenproblematik das Prekäre sofort erkannt und alle Register gezogen, um den Fall umgehend zu lösen, notfalls sogar mit dem Ede Zimmermann oben in Mainz als Hilfssheriff.
    Liegt vielleicht überhaupt eine Chance darin, fragt sich der Biermösel jetzt, wenn man die Alten und Weisen zurate zieht? Den Ede Zimmermann oben in Mainz, wenn man in Deutschland nicht weiterkommt mit den Ermittlungen? Oder den Alten drüben in Goisern, wenn man in Aussee herüben

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