Lebensabende & Blutbaeder
denn belogen?“, schluchzt die Anni. „Warum? Warum? Warum?“
„Die sagen Hurenkinder zu uns“, antwortet die Jenny. „Und Missis Propper.“
Weil ihn der Doktor Krisper natürlich immer sofort verständigt, sobald er selbst zu einem außergewöhnlichen Krankheitsfall mit möglicherweise kriminellem Hintergrund gerufen wird, wirft sich der Biermösel sofort den Wetterfleck über, kaum dass ihn im Auerhahn drüben der entsprechende Anruf ereilt hat.
Nach kurzer Fahrt im strikten Regen stößt er als Ermittler zu dem ganzen Theater bei der Anni dazu, da graut schon wieder der Morgen. Am meisten aber graut ihm bei der Vorstellung, was alles hätte passieren können, wenn die Manuela noch zwei oder drei Viagra mehr gefressen hätte. Da hätte er sich nämlich um eine auf der Olivetti getippte Todesmeldung nicht mehr herumschwindeln können!
Nach einer ersten Ad-hoc-Analyse vom Sachverhalt war auch dem Biermösel als erfahrenem Ermittler sofort klar, dass die Jennifer und die Manuela die zwei mutmaßlichen Rotzbuben sind, nach denen er während der letzten Tage in mühsamer Detailarbeit und ohne die geringste Mühe zu scheuen Ausschau gehalten hat. Bravo!
Ganz glücklich kann er darüber natürlich nicht sein, weil er mit seinen Vermutungen und Mutmaßungen davor wieder einmal ein bisserl sehr danebengelegen ist, aber ein bisserl sehr sehr! Wie er aber die Viagra auf dem Tisch sieht und die Handtascherln daneben, kann er sich wenigstens damit trösten, dass er in Hinblick auf den Verdacht „Sexroboter“, als die er die zwei deutschen Schweinderln mittlerweile bezeichnen muss, mehr als richtig gelegen ist. Also will er sich über die Fehleinschätzung hinsichtlich Geschlecht der Täter nicht weiter ärgern, genügt eh, dass die Anni mit den Nerven komplett am Ende ist, warum also sollte er sich da auch noch ärgern.
„Ich hab Töchter herangezogen“, wirft sich die arme Anni in einer Art Selbstgeißelung vor, „die Touristen überfallen und den ganzen Ort in Angst und Schrecken versetzt haben!“
Sie ist darüber so parterre, dass sie sich gleich in allen Punkten schuldig bekennt und sich bereit erklärt, noch einen Kredit (noch einen!) aufzunehmen, um den entstandenen Schaden zu begleichen. Sie will sich auch gar nicht dagegen wehren, wenn der Biermösel in Ausübung seiner Pflicht jetzt gleich die Behörden verständigt und diese ihr die Zwillinge noch heute Nacht wegnehmen werden.
„Aber schau, dass sie in ein gutes Heim kommen!“, fleht sie den Biermösel an, „sie sind ja im Grunde keine schlechten Menschen!“ Dann streckt sie dem Biermösel die Arme entgegen, damit er ihr die Handschellen anlegt. Und schließlich hält sie ihm überhaupt die Schläfe hin, damit er die Glock zieht und sie erschießt. Aber der Biermösel sagt nur:
„Geh red nicht so blöd daher, Anni. Red doch bitte nicht so blöd daher.“
Dem Biermösel zerreißt es fast das Herz, wie er die Anni Rotz und Wasser weinen sieht. Er weiß, dass sie härter arbeitet als jeder andere im Ort. Und er weiß auch, dass sie ihren zwei Mäderln trotzdem nicht jeden zweiten Tag ein neues Handy oder irgendeinen Dreck vom Elektromarkt drüben in Gmunden kaufen kann, wie das sonst alle mit ihren verzogenen Rotzbuben und Rotzmädeln tun. Und ganz sicher wird sie sich auch diesen Herbst wieder keinen neuen Wetterfleck vom Trippischowski drüben in Ischl leisten können, das wird trotz ihrer gewaltigen Anstrengungen einfach wieder nicht drinnen sein.
Da lässt der Biermösel die Glock lieber im Halfter stecken und zieht stattdessen das Kuvert mit den 10.000 Euro aus dem Wetterfleck, die er vom Bürgermeister und vom Seebachwirten im Zuge vom Biermösel‘schen Tatausgleich als kleinen Baustein für seinen Lebensabend erpresst hat. Er legt der Anni das Geld in die Hände und umschließt diese sanft mit seinen riesigen Pranken. Er schaut ihr tief in die verweinten Augen und sagt noch einmal:
„Ich bitt dich, Anni, red doch nicht so blöd daher.“
Und weil die Manuela mit dem auf Hochtouren arbeitenden Blutdruck in ihrem Körper sowieso schon Strafe genug erleidet, bittet der Biermösel die Anni nur noch, dass sie ihm die zwei Handtascherln aushändigen und in Zukunft einfach den Mund halten soll, falls noch einmal wer davon redet.
Da hat auch der Doktor Krisper endlich den gröberen Überdruck aus dem Körper von der Manuela abgelassen und beziffert ihre Überlebenschancen mittlerweile mit knapp 100 Prozent (weil sie jung und im Grunde
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