Lebensabende & Blutbaeder
Verlustanzeigen. Erst verschwinden in seinem Dunstkreis die Hunde, dann auch die Hundefresser. Sagen möchte der Biermösel dazu aber trotzdem nichts, weil er mit dem Trottel nichts reden will. Dabei könnte er ihm durchaus einiges darüber erzählen, was er aus der gewissen Erfahrung heraus (und nach der Observation als Chamäleon) über den Chinesen als solchen, abgängig oder anwesend, zu sagen hat:
Dass er nämlich gerade vorhin am Klo in der Zeitung gelesen hat, dass sich zwischen all den fürchterlich zugerichteten Leichen vom Rosenkranz-Sühnekreuzzug aus Polen und den Touristen aus der Heimat unten am Bahnübergang in Kärnten auch ein mehrfach zerschnittener, komplett in Exkrementen und Urin eingeweichter Chinese befunden hat. Ein polnischer Chinese mit eingezwirbelten Schnittlauchhaaren in einem Steireranzug unten in Kärnten, stell dir das vor, Seebachwirt! Aber das braucht dich nicht weiter zu überraschen, würde er ihm sagen, wenn er mit ihm reden täte, weil so ist er halt, der Chinese. Er ist überall und nirgends, er ist geheimnisvoll und unergründlich. Mal ist er da, weiß keiner besser als der Biermösel, dann ist er fort, und manchmal ist er auch abgängig. Heute noch kocht er in Aussee Reis zum Schnitzel (nur sehr schwer kann er sich beruhigen, wenn er an ein Schnitzel mit Reis denkt!), morgen schon sitzt er in einem Reisebus aus Polen. Er lässt sich einfach nicht fassen, der Chinese.
Es ist ja nicht einmal ihm gelungen!
Falsche Adresse
Die Anni hat es sich in der Badewanne vom Stararchitekten Wollatz zusammen mit ihm selbst recht gemütlich eingerichtet. Nach all den Schweinereien, die sie während der Woche in den Nassräumen ihrer übrigen Klientel erleiden muss, ist der zweiwöchentliche Termin bei einem so kultivierten Herrn wie dem Wollatz für sie so befreiend wie das tiefe Durchatmen für den Asthmakranken im Kiefernwald.
Die Wanne, so viel darf sie verraten, ist so groß, dass sogar der Hirsch darin Platz hätte, von dem der passionierte Jäger das Geweih über dem Spiegel im Badezimmer angebracht hat. Ein Haufen frischer Fichtenzweige sorgt für das nötige Ambiente und den entsprechend angenehmen Duft. Und eine Seife hat er auch.
Das weiche Kissen in ihrem Nacken schließlich rundet die Sache beinahe zum Wellness-Erlebnis ab und sorgt für die gewünschte Entspannung, während sie geduldig warten. Vor zwei Stunden schon hat ihm die Anni die Stimulanz verabreicht, und jetzt hoffen sie beide (er gewiss ein bisschen mehr als sie!), dass sie endlich zu wirken beginnt und ihm das Blut in sein Bärli schießt.
Bis jetzt vergeblich!
Also lässt die Anni sich einstweilen von dem 96-jährigen Parkinson-Patienten mit dem Ladyshave die Beinhaare bis hinauf zur Bikinizone rasieren, der steht halt drauf, was soll sie denn machen? Seit sich ihr der Mallinger entsagt, weil er neuerdings einem total unrealistischen Frauenbild nachhängt (Stichwort: Boxenluder!), und seit sie auch den Biermösel als möglichen Lebensabendpartner vergessen kann (Stichwort: Dammbruch!), brennt bei ihr gewaltig der Putzfetzen.
Da will sie gerne in Kauf nehmen, dass ihr der Stararchitekt bald die Füße abschneidet, wenn er so weitertut. Solange er sie aber in seinem Testament erwähnt, will sie auf ihre Füße gerne verzichten.
Als die Anni jetzt den dritten Martini kippt und ihr dadurch die Krampfadern gehörig anschwellen, als ihr deswegen der Zittergreis Wollatz immer öfter und immer tiefer mit dem Ladyshave in die Beine hinein säbelt und sich das Wasser schon tiefrot färbt, da läutet in ihrer Handtasche draußen im Vorzimmer das Diensthandy, und ganz unglücklich ist sie nun nicht darüber. Sie fragt:
„Bringst du mir bitte das Handy herein, Benito, bist du so gut?“
„Certo“, antwortet der Stararchitekt, noch immer mehr alter Triestiner Cavaliere denn neuer Ausseer Geldadel. „Certo bring ich dir das cellulare.“
Mit letzter Kraft quält der Wollatz seinen schmalen und zittrigen Körper aus der Wanne. Und augenblicklich ergießt sich das Wasser aus jeder Falte seiner runzeligen Haut auf den Fliesenboden, den die Anni gerade vorhin herausgewischt hat. Wie ein begossener Pudel latscht er vom Badezimmer hinaus ins Vorzimmer und macht gleich wieder überall so eine Sauerei auf den frisch gewienerten Böden, dass sich die Anni am liebsten mit dem Ladyshave den Kopf abschneiden möchte.
„Gibt‘s denn so was, du Schwein im Training?“, schreit sie dem Wollatz nach, während sie sich die
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