Lebensabende & Blutbaeder
kann. Seine Pupillen weiten sich gefährlich, und seine untere Kinnlade verliert jeden Halt, sodass der Biermösel erste Reihe fußfrei mit ansehen muss, wie dem Bürgermeister das Wasser im Mund zusammenläuft, ein wirklich grauslicher Anblick. Da wendet er den Blick lieber ab und schaut schweigend auf die Uhr, und auf der sieht er, dass es gleich zwölf Uhr mittags ist, aber die Rotzbuben noch immer nicht da sind.
Da stürzt der Bürgermeister nach vor und schnappt nach der Flasche wie der Ertrinkende nach dem rettenden Ast. Aber mit nichts anderem hat der Biermösel gerechnet als genau mit dieser verzweifelten Handlung, und wie die Kugel aus dem Colt schießt seine Hand nach vor. Er zieht die Flasche immens schnell zu sich her, greift sie am Hals und haut sie dem Bürgermeister mitsamt seiner Pranke und mit voller Wucht über den Schädel. Dabei schweigt er. Dann beugt er sich ruckartig nach vor zu ihm, greift den Falotten am Kragen und fixiert ihn mit seinen messerscharfen Adleraugen.
„Was?!“, schreien diese Augen den Bürgermeister an. Er selbst schweigt.
„Ich war es!“, hält es der Bürgermeister nicht mehr länger aus, und er bricht innerlich zusammen, sodass es aus ihm herausbricht. Genau so, wie es die Biermösel‘sche Pädagogik im Plan vorsieht.
Er war es, jammert der Bürgermeister, der vor vier Tagen stockbesoffen aus Goisern heimgefahren ist und dabei den Sankt Christophorus über den Haufen gefahren hat. Ein frevelhaftes Vergehen, wie er einräumt, das er jetzt aber sehr bedauert und gerne gestehen möchte.
Du meine Güte!, denkt sich der Biermösel, der gerne über das Sexuelle spottet in Situationen, in denen er die Glock in der Oberhand hält. Das frevelhafte Vergehen wird mit Sicherheit schon vorher bei der gachblonden Discowirtin im Puff passiert sein! Aber darüber will er sich jetzt gar nicht weiter auslassen. Lieber freut er sich auf einen sehr schönen Biermösel‘schen Tatausgleich, der gleich ins Haus steht, weil der Bürgermeister sofort fragt, ob er denn wegen so einer Lappalie ein Protokoll aufnehmen wird?
Das glaubt er eher nicht, der Biermösel!
Und noch bevor er dem Bürgermeister die Bedingungen diktiert hat, unter denen sich das Verbrechen aus der Verbrechenskartei tilgen lässt, noch bevor es dort überhaupt hinein schlüpfen kann wie die Maus in ihr Loch, dreht sich dieser schon zur Tür und klatscht in die Hände wie eine Ballettlehrerin, und sofort kommt sein Schoßhund, der Seebachwirt, mit zwei schönen Kisten Marillenschnaps hereingestolpert, die er dem Biermösel auf den Tisch stellt, eine jede Kiste gut gefüllt mit zehn Flaschen vom allerfeinsten, danke herzlich.
Das, liebe Freunde, wird ihm aber in diesem Fall nicht genügen!, lässt der Biermösel den Bürgermeister mit stoischer Ruhe spüren. Schließlich muss auch er endlich anfangen, an den Lebensabend zu denken und sich ein bisserl was anderes als Schnapsflaschen auf die Seite zu legen. Eine gewisse Summe, deutet er mit der gewissen reduzierten Gestik an, eine gewisse ansprechende Summe hätte er heute schon noch gerne dafür, dass er schweigen und das Landesgericht nicht darüber informieren wird, was für ein Verbrecher der Bürgermeister ist. Und dann noch eine gewisse Summe extra dafür, dass er auch die Parteizentrale vom Bürgermeister nicht darüber in Kenntnis setzt, dass ihr Bezirksobmann ein größerer Schluckspecht ist als weiland der Figl. Und nein, lässt er den Bürgermeister mit seinem Angebot einer bargeldlosen Regelung eiskalt abblitzen, einen auf ihn überschriebenen Baugrund akzeptiert er nicht, auf den scheißt er nämlich!
Wie sich der Bürgermeister und der Seebachwirt dann nach Übergabe der gewissen Summe schon in der gebückten Haltung, in der sie hereingekommen sind, langsam wieder zur Tür hin bewegen und der Biermösel schon an der ersten Flasche schnuppert, dreht sich der Seebachwirt noch einmal zu ihm um und fragt leise, ob er auch was sagen darf. Und ein kaum wahrnehmbares Nicken vom Biermösel, das in seiner Güte vollkommen ist, ermutigt ihn dazu.
„Der Mao ist abgängig“, hört der Biermösel den Seebachwirt flüstern.
Der Mao ist also abgängig!, rekapituliert der Biermösel gedanklich an seinem Schreibtisch sitzend mit einem tiefen innerlichen sowie äußerlichen Seufzer. Er könnte im Augenblick gar nicht sagen, was ihm mehr wurscht ist, als dass der Mao abgängig ist.
Der Seebachwirt aber geht ihm schon so auf die Nerven mit seinen dauernden
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