Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lebensabende & Blutbaeder

Lebensabende & Blutbaeder

Titel: Lebensabende & Blutbaeder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Rebhandl
Vom Netzwerk:
Verheerungen ansieht, die er an ihren Beinen angerichtet hat.
    Als sie das Handy entgegennimmt, ist sie aber gleich wieder halbwegs versöhnt, weil er ihr einen weiteren Martini einschenkt. Und als er ihr das Handy reicht, sieht sie auf dem Display eine 0049-Nummer leuchten.
    „Deutschland ruft“, schnurrt ihr der Wollatz sogleich mit rollendem „Rrrrrr“ ins Ohr, und er setzt sich zu ihr an den Wannenrand.
    „Braucht dich denn der Schröder auch schon, damit du bei ihm endlich aufräumst?“
    „Schön wär’s!“, seufzt die Anni. Mit dem feschen Kerl würde sie gerne die Pension teilen. Seine Pension natürlich, sie selbst wird ja nie eine kriegen.
    Es ist dann aber doch nicht der Schröder am Apparat, als die Anni abhebt, sondern ihre Tochter Jennifer. Und die sagt, dass die Mama schnell nach Hause kommen soll, weil die Manu hat was gefressen, und jetzt geht es ihr gar nicht gut.
    „Du meine Güte!“, schreit die Anni.
    Schnell, schnell hüpft sie aus der Wanne und trocknet sich und den Wollatz ab. Sie steckt ihn in seinen Pyjama und bringt ihn zum Bett. Sie legt ihn hinein und deckt ihn bis oben hin zu. Sie macht ihm ein Kreuz auf die Stirn, damit er mit Gottes Segen einschlafen mag. Und sie bekreuzigt sich selbst, auf dass sie die Barschaft erben möge, falls er morgen früh nicht mehr aufwacht. Dann dreht sie die Lichter ab und verlässt in großer Sorge den Bungalow, wo sie jetzt trotz allem gerne geblieben wäre, um an der Schulter vom Wollatz endlich zehn Minuten Ruhe zu finden. Aber kaum hat sie die eine Ecke herausgewischt, ist schon wieder die andere dreckig! Die Probleme hören in ihrem Leben einfach nie auf.
    Als die Anni zu Hause ankommt, muss sie sich zu allem Überdruss eingestehen, dass sie in den letzten Monaten und Jahren einfach wirklich zu wenig Zeit für die Erziehung ihrer beiden Töchter gehabt hat. Andererseits wüsste sie beim besten Willen nicht, wie sie das Geld für die Messersets verdienen soll, die ihre Zwillinge für die Schule drüben in Ischl brauchen, wenn nicht durch noch einmal 45 Wochenstunden mehr!
    Heute freilich würde sie sich mit dem Messerset am liebsten selbst abstechen, weil sie so blind war und die Not ihrer Töchter einfach nicht gesehen und den Hilfeschrei einfach nicht gehört hat. Wie aber soll sie denn ihre Hilfeschreie verstehen, fragt sich die Anni, wo heutzutage schon alles auf Englisch sein muss, sogar die Hilfeschreie!
    Live fast, die young, steht auf dem Leiberl von der Jennifer, das sie schon seit Wochen trägt. Und nie ist dieser Hilfeschrei der Anni aufgefallen, weil sie in der Früh halt auch immer schwerer die Augen aufkriegt. Jetzt sieht sie auch zum ersten Mal den Ring, den sich die Jennifer in die Nase gehängt hat wie eine Kuh, und all die Stifte, mit denen sie ihre Ohren durchbohrt. Sie sieht, dass die Jenny die roten Marlboro auf Lunge raucht, und dass sie sich die Haare grün färbt. Sie sieht die zerrissene gelbe Strumpfhose und die schweren schwarzen Stiefel ohne Schuhbänder, in denen sie herumlatscht.
    „Mein Gott“, schreit die Anni jetzt beim Anblick ihrer Tochter, „du bist ja ein richtiger No-Futon-Typ geworden!“ Sie glaubt jedenfalls, dass das so heißt.
    „Die Manu liegt oben im Zimmer und stirbt“, sagt die Jennifer jetzt leise.
    „Was muss denn noch alles passieren?“, schreit die Anni. „Muss ich ein Kind auch noch verlieren?“
    Wie die Anni ins Kinderzimmer gelaufen kommt, sieht sie die Manuela in ihrem Bett liegen, und da treten ihr schon die Augen hervor. Sie hat sich in einen rotgesichtigen Blasebalg verwandelt, der aus dem letzten Loch pfeift. Und sie atmet wie ein Kessel, dem gleich der Deckel wegfliegt.
    „Ja was ist denn mit ihr passiert?“, schreit die Anni die Jennifer an. „Was hat sie denn getan?“
    „Sie hat was gefressen“, sagt die Jennifer und zeigt der Mama eine Tablettenschachtel. Und sie gesteht, dass die Manu doch Ecstasy-süchtig ist und sie halt geglaubt hat, dass da in der Schachtel welche drin sind.
    „Aber das sind ja gar keine Ecstasy!“, schimpft die Anni. „Das sind ja Viagra! Wo habt ihr denn die wieder her?“
    „Die haben wir gefladert“, gesteht die Jenny und deutet auf zwei Handtaschen, die auf dem Tisch liegen.
    Da fängt die Anni an zu schluchzen und fällt wie ein Sack zur Manu hinein ins Bett. Sie schließt ihre Tochter fest in die Arme und weint verzweifelte Tränen. Die Jennifer setzt sich dazu und streichelt der Mama sanft über den Kopf.
    „Warum habt ihr mich

Weitere Kostenlose Bücher