Lebensbilder I (German Edition)
Ist er der Gemahl einer Sängerin oder Tänzerin, oder der jüngere Bruder eines Majoratsherrn, oder sonst ein mauvais sujet ?«
»Nichts von allem; er hat 10 000 Franken, die er in einem Dachstübchen Rue des Cordiers verzehrt, wo er, der Menschheit zuliebe, Shakespeare und Goethe übersetzt.«
«Was? Aber der junge Mensch ist toll? Warum nicht den Waller Scott oder Lord Byron?«
»Und mit diesen Reden« – fragte ich – »die nicht ohne Poesie sind, willst du das Dichtertum verdammen?«
»Verdamm' ich's denn? – Ich tadle nur deine Art, es anzugreifen. Der Dichter, der in Paris Glück machen will, muß sich in die Mode bringen, muß ganz Paris von sich erfüllen, und dazu nützt Unsinn mehr als Sinn. Du, ein Jüngling aus so gutem Hause! Bist du nicht Marquis?«
»Ein Jüngling, ganz gemacht, alle Weiberherzen ein. zunehmen, du mußtest in der elegantesten, modischsten, kleidsamsten Tracht als Marquis von Valenti in allen Salons erscheinen, deines Talents nur ganz flüchtig erwähnen, so beiläufig sagen, mit dem Ungeheuern Erfolge, den deine ersten flüchtigen Versuche erwarben, seist du nicht unzufrieden. Unsere Welt ist viel zu gebildet, um jemandem in den Ansprüchen, die er macht, entgegen zu sein, wenngleich kein Jota davon wahr ist. Was würde aus allen unsern Künstlern werden, wenn sie nicht solche Ansprüche, und zwar im Luxus, in der Eleganz, in Wagen. Pferd und Dienerschaft geltend machten?«
»Und reicht mein Vermögen dazu aus?«
»Was? willst du ein Kapitalist sein und vor Sorgen und Bedenklichkelt nicht essen, trinken, schlafen, und dennoch beim Fall der Staatspapiere oder durch einen Bankerott alles auf einmal einbüßen? Ei, brauch' dein Geld, iß, trinke, reite, fahre, tanze, und ist es unvorhergesehenerweise oder durch einen sonstigen Zufall alle geworden – heirate eine reiche Frau, geh' ins Kabinett über, werde ein Gesandter oder eine andere Sorte Muße- oder Wohlhabender. Übrigens hast du dir während eines solchen Lebens reiche, mächtige Gönner und Protektoren erworben, denen an einem so lustigen Gesellschafter und rastlosen Teilnehmer an jeder Gattung von Ausschweifung so viel liegt, daß sie ihn schon werden unterzubringen suchen. Was? Willst du mit deinem Genie auf die Nachwelt und kannst nicht einmal durch die Mitwelt damit? Ei, wer ein Künstler sein will, der sei genial!«
»Ich würde mich selbst verachten, wenn ich so leben wollte: auch weiß ich, daß es schwer hält, von reichen, angesehenen Leuten irgendeine Gunst zu erlangen, wenn man nicht ihren Schwächen und Lastern huldigt!«
»Höre, Freund! Du fängst schon an, dumpfig und gedrückt, wie die Luft in einer Dachstube, zu denken. – Du mußt in die Welt. Ich bitte dich, laß dich heut einmal von mir irgendwohin führen!«
»Von dir?«
»Wundert's dich? Zu jemand, der dich rascher zu deinem Ziele, welches es auch sei, fördert als irgendein anderer: zur Fürstin Feodora. Gefällst du ihr, so ist dein Glück gemacht in ganz Paris, und du kannst erreichen, was du willst.«
»Wer ist Feodora?«
»Du kennst nicht Feodora, das weibliche Wunderwerk, die Zierde des sechsten Schöpfungstages und das Schlußwerk des lieben Herrgotts, der nun nichts Besseres tun konnte, als die Hände in den Schoß legen und Sabbat machen?«
»Ich habe nie sie nennen hören.«
»Die schön ist, daß keine Pariserin schöner zu sein wünschen kann, tugendhafter als keine Russin (denn sie ist ein Zwittergeschöpf, geboren in Rußland und gedeihend in Paris), als keine Russin tugendhafter sein kann und steckte sie im Schnee bis an die Oberlippe? – die reicher scheint als irgend jemand reich scheinen kann: um die jeder sich bewirbt und die niemand bekommt, der man Herz, Hand, Rang. Vermögen, Adel, Würde, Protektionen, Menschenund Völkerglück zu Füßen legt und die nichts nimmt? – außer was man ihr schenkt und was sie begehrt, und dies nur aus purer Weisheit, well sie selbst am besten weiß, was ihr nützlich ist, und aus purer Güte, um den armen Erdensöhnen Gelegenheit zu vergönnen, ihr zu huldigen und zu opfern; Feodora endlich kennst du nicht – denn diese Perlode muß zu Ende, so unendlich auch Feodorens Lobposaune sein mag – die tugendhafte Aspasia, die keusche Lais von Paris, vor der sich Helden, Staats, manner, Fürsten und Künstler beugen? – Aber weißt du, wer Lais war?«
»Ja!«
»Und weißt du, wer Aspasia?«
»Nun, wenn du die möglichen Vollkommenheiten beider in einer Person kennen lernen willst,
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