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Lebensbilder I (German Edition)

Lebensbilder I (German Edition)

Titel: Lebensbilder I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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nebst so viel Reizen an Seele und Körper, um ihrer noch ein Dutzend damit auszustatten, wenn du die Macht sehen willst, die heutzutage regiert, die heutige Weltallmacht, so suche mich diesen Abend in meiner Wohnung auf: – wo nicht, so bleib in deinem Dachstübchen bei deinen römischen und griechischen toten Dirnen und (um mit Shakespeare zu reden): laß dich hängen! Lebe wohl, denn wir verstehen uns nicht mehr: Du hast Feodora nicht gesehen, ich habe sie gesehen!« Räch diesen Worten drehte er mir den Rücken zu und ging. Aber er hatte mir genug gesagt, um meine Neugier rege zu machen.
    Abends suchte ich meine Galakleider hervor, die seit geraumer Zeit unbenutzt im Schrank gehangen, und machte meine Toilette mit größerer Sorgfalt als je im Leben. – Liebte ich etwa Feodora wirklich schon, bloß nach Rastignacs zuversichtlicher Lobrede, dessen Gascognaden ich schon kannte? – Gewiß nicht! Aber ich suchte mir einzubilden, das Glück habe ihn mir in den Weg geführt, mich rasch zum Ziele zu geleiten. Ein einziger Erfolg im Salon einer schönen Fürstin, die en vogue war, konnte von Entscheidüng sein. Und ich wollte, da ich zum erstenmal wieder in einem neuen Charakter die Welt betrat, den Dichter auch äußerlich vertreten. Schon meine Erscheinung sollte den edleren Geschmack verkünden, der sich aller Sitte, jeglichem Gebrauche fügt, ohne irgend kleinlich zu sein. – Unsere jetzige Kleidung ist nicht so ganz unpoetisch, wie sie im Vergleich zu allen früheren erscheinen dürfte. Freilich, sie entgöttert den Apoll, den Athleten macht sie gemein: dem Cäsar nimmt sie die Großheit, dem Apostel das Ehrwürdige: den Ritter würde sie zu einem Räuber und den Hofmann unter Ludwig XIV. zu einem Affen umgestallen, weil sie Individualität und Charakter erlöscht, ja in ihr das Ungewöhnliche, Markierte entstellt und lächerlich erscheint. Sie ist einförmig in Form und Farbe und strebt daher allem Auffallenden entgegen. Dennoch hat sie etwas Ideales, was freilich von dem Antikidealen himmelweit verschieden ist. Die Antike ist nackte Natur. Ein schöner, moderngekleideter Mann kann für ein sittliches Ideal gelten. Feinheit, Einfachheit, Vornehmheit, Reinheit bilden den sittlichen Geschmack. So entspricht das Kostüm dem Geist des Jahrhunderts, denn im allgemeinen mag dies auch wohl der Geist sein, wonach zu streben die Aufgabe der Zeit ist, und es geschieht am Ende auch unbewußt in aller Verkehrtheit, Unsinnigkeit und Wildheit des Lebens. – Als ich mich im Spiegel sah, war ich mit meinem Aussehen zufrieden. Mein arbeitsames Leben hatte mir einen Ausdruck verliehen, der mich, meiner Meinung nach, nicht entstellte. Und war es eine verdammliche Eitelkeit, die mir dies alles zuflüsterte? Wer freut sich nicht, ganz so zu erscheinen, daß sein Äußeres schon für sein Inneres bürgt? Pauline und Madame Gaudin erwiesen mir große Ehrfurcht, als ich ihnen gute Nacht wünschte und meinen Fiaker bestieg.
    Rastignac lächelte über meine Metamorphose, sagte aber nichts und gab mir nur – wie er es nannte – Verhaltungemaßregeln für den Abend. »Sie ist«, so beschrieb er die Fürstin, »habsüchtig, gefallsüchtig und mißtrauisch. Allein habsüchtig, um die höchste Pracht rings um sich zu verbreiten, gefallsüchtig in scheinbarer Bescheidenheit, mit einer Anspruchslosigkeit, worin der auserwählteste Geschmack sich kundgibt, und mißtrauisch, wenn sie ganz Herz und Seele scheint. Sei auf deiner Hut in allem, was du sprichst und tust, denn sie vergißt nie. Sie ist geschickt genug, um einen Diplomaten zur Verzweiflung zu bringen, und scharfsinnig genug, die Wahrheit, die er verbirgt, aus der Art, wie er sie verbirgt, zu erraten. Endlich war sie, unter uns gesagt, nie verheiratet; auch mit ihrer Fürstlichkeit steht es nur so so! Der russische Gesandte lachte mich aus, als ich der Fürstin Feodora erwähnte; auch sieht er sie nicht bei sich und grüßt sie nur ganz obenhin, wo er sie trifft. Allein man findet sie in den Assembleen der Madame von F..., der Herzogin V..., der Vicomtesse G..., der Marschallin B.... Letztere sogar, die hochfahrendste der Bonapartischen Sippschaft, bittet sie jedesmal zur Saison auf ihr Landhaus. Kurz, in Frankreich ist ihr Ruf entschieden unantastbar. Viele junge Gecken, sogar der Sohn eines Pair von Frankreich, einige junge Grafen, alte Deputierte und Diplomaten haben ihr Hand, Herz und Vermögen geboten; sie hat aber alle auf die niedlichste Art von der Welt abgewiesen. Und somit

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