Lebensbilder I (German Edition)
ein auf solche Weise gewonnener Heimatspaß nicht.«
Dennoch erging an das sächsische Ministerium des Äußern der einzig korrekte Bescheid vom 13. Februar 1854: »Der Senat verkennt nicht, daß nach dem Gothaer Vertrag die Verpflichtung bestehe, Schiff und seine Frau als heimatsberechtigt anzuerkennen.«
Der mitgeteilte Aktenwechsel beweist hinreichend, mit welch kleinlichen Mitteln Schiff gehetzt und gequält wurde. Obwohl man ihm rechtlich nichts anhaben konnte, drangsalierte man ihn jahrelang mit Verhaftungen, bis man endlich nicht mehr »verkannte«, daß man ein Unrecht an einem hilflosen Menschen begangen habe. Gutgemacht wurde dieses Unrecht freilich nie; die seelischen Qualen, die es Schiff bereiten mußte, erhöhten nur seine Widerstandsunfähigkeit. Der Alkoholgenuß, dem er immer schon gefrönt hatte, nahm jetzt in erschreckender Weise zu. Man darf Schiff deshalb nicht verdammen; wer vom Schicksal so ungerecht getreten wird, wie er, dem beginnt allmählich der Sinn für ein »moralisches« Leben zu schwinden.
Übrigens beschäftigte die Frage der Heimatsberechtigung der Gattin Schiffs den Hamburger Senat noch jahrelang. Daß die des Mannes zurecht bestehe, hatte man – durch das sächsische Ministerium sehr energisch belehrt – widerwillig zugeben müssen. Anders stand es mit der Frau, die man um keinen Preis als Hamburgerin gelten lassen wollte. Am 24. März 1853 gebar sie in Mainz ein Kind, Hermine Johanna Elisabetha Luise, das evangelisch getauft und, wie ein Senatsakt vom 19. Februar 1855 sagt, von ihr als ehelich bezeugt wurde. Der Senat forderte nun – – Schiff auf (!), alle Schritte zu tun, um das öffentliche Register der Stadt Mainz rektifizieren zu lassen, da er ja 1852 nirgends mit ihr zusammengetroffen sei und deshalb nicht der Vater dieses Mädchens sein könne.
Schiff erklärte zu Protokoll, daß er sich von seiner Frau ganz kurze Zeit nach seiner Hochzeit getrennt habe und mit lhr nie wieder zusammengetroffen sei. Einmal habe er sie auf der Gasse gesehen. Aufgefordert, Schritte zu tun, um das Taufregister zu berichtigen, erklärte er sich dazu bereit.
In dem Gesuch an den Senat bat die Gattin Schiffs um Anerkennung ihrer Heimatszugehörigkeit für sich und das Kind nach Hamburg, da ihr die hessische Polizei in Mainz einen Heimatsscheln für das Kind verweigert habe. Das Kind wurde, wie aus dem Gesuch (Leipzig, 29. Januar 1855) hervorgeht, aus Leipzig ausgewiesen (mit zwei Jahren!!), weil es keine Heimatsberechtigung in Leipzig hatte. Schiffs Frau klagt, daß sie kaum zu leben habe und das Kind schwer erhalten könne. Sie bezieht sich darauf, daß das Kind zwar unehelich sei, aber » pater est, quem iustae nuptiae demonstrant .«
In einem Dekret an die Polizei in Potsdam (2. Juni 1854) erklärte der Senat von Hamburg, daß weder Schiff noch seine Frau in Hamburg heimatsberechtigt seien, sondern nur gemäß dem Gothaer Vertrag übernommen werden mußten. Eine Übernahme des Kindes, das unehelich sei, erkenne der Hamburger Senat nicht an.
Die Mainzer Polizei (8. September 1854) behauptete, daß das Kind, solange Schiff seine Vaterschaft nicht leugne, nach Hamburg zuständig sei. Erst wenn Schiff die Vaterschaft aberkannt werde, könne an eine Heimatsberechtigung in Mainz gedacht werden.
1855 war Schiffs Frau als Sängerin in Lübeck engagiert und wendete sich neuerdings an den Hamburger Senat mit der Bitte um einen Heimatsschein für das Kind. – Mit Dekret vom 19. Februar 1855 wurde ihr wieder bedeutet, daß, da die uneheliche Geburt des Kindes erwiesen sei, dieses in Hamburg nicht als heimatsberechtigt angesehen werden könne.
1860 war sie in Flensburg. Sie klagte in einem Briefe an den Senator Blumenthal in Hamburg Schiff an, daß er für das Kind und für sie nichts tue! Sie bat neuerdings um einen Heimatsschein für das Mädchen, das in der Leipziger Schule ohne diese Papiere nicht aufgenommen werde. Dieser Brief macht übrigens sonst keinen ungünstigen Eindruck. Sie sei bereit, ihrem Kind ein besseres Los zu bereiten, als sie selbst hatte, der ihr Mann alle möglichen Hindernisse in den Weg lege, und wolle nicht, daß es mit dem Theater in Berührung komme, sondern daß es eine einfache bürgerliche Erziehung erhalte.
Auch dieser Brief erhielt einen ablehnenden Bescheid, der freilich widerrechtlich war. Da niemand da war, der sich der Frau und ihrer zwei Kinder angenommen hätte, konnte der Hamburger Senat seiner Willkür freien Lauf lassen. –
Für Schiffs
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